Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. stationäre Unterbringung. abweichende Regelsatzfestsetzung. Abweichung eines vom Regelbedarf umfassten Bedarfs vom durchschnittlichen Bedarf in mehr als geringem Umfang. Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des BTHG im Land Baden-Württemberg. Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen. Rechenmodell. Sicherstellung der Bedarfsdeckung
Leitsatz (amtlich)
1. Lässt der Leistungsberechtigte im Regelsatz berücksichtigte Bedarfe gegen Vergütung durch die Einrichtung decken, sind nur geringe verbleibende Barmittel kein Grund für eine Erhöhung des Regelsatzes.
2. Zur "budgetneutralen Umstellung" nach der Übergangsvereinbarung in Baden-Württemberg zur Trennung der Fachleistungen von den existenzsichernden Leistungen zum 1.1.2020.
Orientierungssatz
Az beim LSG Stuttgart: L 2 SO 3977/21
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum 01.01.2020 bis 28.02.2021.
Der ...geborene Kläger bezieht laufende Leistungen der Eingliederungshilfe sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Er erhält eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Zahlbetrag ab 01.07.2019: 416,39 € monatlich). Ein Grad der Behinderung von 90 vH mit Merkzeichen G und B ist festgestellt und Pflegegrad 2 ist anerkannt. Der Beklagte bewilligte als Träger der Eingliederungshilfe mit Bescheid vom 15.07.2020 die Kosten der Fachleistung in der besonderen Wohnform sowie der Tagesstruktur Tagesbetreuung für Erwachsene in der Einrichtung... in... in Höhe der vereinbarten und jeweils gültigen Vergütungssätze abzüglich eines ggf zu leistenden Eigenanteils für die Zeiträume 01.01. bis 30.06.2020 und 01.07.2020 bis 30.06.2022.
Mit Wirkung zum 01.01.2020 legte die Einrichtung dem Kläger einen Wohn- und Betreuungsvertrag vor. Nach § 4 Ziff 1 des Vertrags umfasst die Versorgung durch die Einrichtung auch die zur Haushaltsführung erforderlichen Verbrauchsgüter (Lebensmittel und Getränke sowie hauswirtschaftliche Verbrauchsgüter wie Putzmittel etc) sowie die Ausstattung der Wohn- und Gemeinschaftsräume mit Flachwäsche, Geschirr, Küchen- und sonstigen Haushaltskleingeräten. Für die Überlassung eines möblierten Einzelzimmers wurde ein Gesamt-Wohnentgelt iHv 422,18 €, für Verbrauchsgüter und Ausstattung zur Haushaltsführung iSv § 4 des Vertrags ohne Nahrungsmittel und Getränke 108,91 € monatlich vorgesehen sowie für Assistenzleistungen (Leistungstyp 2.3, Hilfebedarfsgruppe 2) 43,33 € täglich. In der Folge zahlte der Kläger (unter Vorbehalt) an die Einrichtung monatlich 108,91 €. Den Vertrag hat der Betreuer des Klägers nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht unterschrieben.
Auf den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 18.09.2019 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 02.12.2019 Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 01.01.2020 bis 28.02.2021. Dabei wurden als Bedarf die Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 422,18 €, der Regelbedarf iHv 389 € und ein Mehrbedarf nach § 42 iVm § 30 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) iHv 66,13 € berücksichtigt. Die Auszahlung des Mehrbedarfs erfolgte direkt an die Eingliederungshilfe.
Mit seinem Widerspruch vom 09.12.2019 wandte sich der Betreuer des Klägers ua dagegen, dass der Mehrbedarfszuschlag für das Merkzeichen G an die Eingliederungshilfe gezahlt werde, dieser stehe dem Kläger als Ausgleich für eine eingeschränkte Mobilität zu. Ferner stehe dem Kläger ein Mehrbedarf für das Mittagessen in der Einrichtung zu. Mit Schreiben vom 13.12.2019 teilte der Beklagte mit, dass der Mehrbedarfszuschlag an den Kläger ausgezahlt werden könne. Ein Mehrbedarfszuschlag für ein gemeinsames Mittagessen könne nur nach Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der Einrichtung gewährt werden, die bislang noch nicht vorliege.
Am 21.01.2020 beantragte der Betreuer des Klägers eine Erhöhung des Regelsatzes unter Verweis auf § 27a Abs 4 Nr 2 SGB XII. Für Hauswirtschaftsmittel würden von der Einrichtung pauschal 108,91 € verlangt. Der Regelsatz in Regelbedarfsstufe 2 enthalte einen Anteil von 6,16% (23,96 €) für Haushaltsführung, Ausstattung usw. Damit liege ein regelmäßig unausweislich höherer Bedarf von 84,95 € monatlich vor. Die übrigen Bestandteile des Regelsatzes seien für Kleidung, Gesundheit, Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Freizeit, Bildung, Körperpflege und Kleidung vorgesehen. Diese Dinge würden nicht durch die Einrichtung zur Verfügung gestellt. Am 03.02.2020 nahm der Betreuer den Widerspruch hinsichtlich der im Schreiben vom 09.12.2019 geltend gemachten Punkte zurück.
Mit Bescheid vom 05.03.2020 lehnte der Beklagte den Antrag auf abweichenden Regelbedarf ab. Die regelbedarfsrelevanten Lebensunterhaltskosten um...