Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. Wie-Beschäftigung. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Gefälligkeit. verwandtschaftliche Sonderbeziehung. enge Ausprägung. Brennholzsägen. privater Heizbedarf der Tante/des Onkels

 

Orientierungssatz

Zum Nichtvorliegen einer gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Wie-Beschäftigung beim Zerkleinern von Brennholz für den privaten Heizbedarf von Verwandten.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Sie ist im Jahr 1975 geboren worden. Am 01.11.2014 half die hauptberuflich als Beamte tätige Klägerin ihrem damals 87 Jahre alten Onkel und ihrer damals 82 Jahre alten Tante außerhalb eines betrieblichen Zusammenhangs beim Sägen von Brennholz. Dabei kam sie mit der rechten Hand ins Sägeblatt der von ihr bedienten Wippsäge. Vor dem Unfall war die Arbeit zwischen den anwesenden Personen wie folgt aufgeteilt gewesen: Die Wippsäge war von der Klägerin und ihrer Lebenspartnerin bedient worden. Die Tante hatte die gesägten Stücke aufgesetzt und der Onkel hatte die technischen Arbeitsanweisungen erteilt. Das gesägte Brennholz stammte nicht von einem von den Verwandten der Klägerin selbst bewirtschafteten Forstgrundstück und war zum privaten Gebrauch durch den Onkel bzw. die Tante vorgesehen.

Im Anschluss an das Ereignis wurde die Klägerin per Notarztwagen in eine Klinik gebracht. Der dortige Durchgangsarzt diagnostizierte eine Verletzung der rechten Hand auf Höhe der Grundglieder 2 bis 5 mit mehrfragmentären offenen Frakturen, Verletzung des Nervs N 3 und Strecksehnendurchtrennung EDC 2 bis 5. Im D-Arzt-Bericht ist unter der Rubrik Beschäftigung der Begriff „Nachbarschaftshilfe“ angegeben.

Laut einer Telefonnotiz der zunächst mit dem Fall befassten ... BG vom 26.11.2014 teilte die Klägerin auf Nachfrage mit, dass es sich bei ihrer Tätigkeit um Nachbarschaftshilfe bzw. eine Gefälligkeitsleistung gehandelt habe. Im Rahmen eines am gleichen Tag ausgefüllten Fragebogens wiederholte die Klägerin diese Einschätzung. Sie sei von ihrem Onkel und ihrer Tante um Hilfe gebeten worden. Ab und zu helfe sie diesen, je nach Erfordernis. Zuvor habe sie z.B. am 03./04.10.2014 beim Ernten von Äpfeln geholfen. Für das Brennholzmachen sei mindestens ein Tag eingeplant gewesen. Es hätten mehrere Festmeter Holz gesägt, gespalten und aufgesetzt werden müssen. Die Tätigkeit habe um ca. 9.30 Uhr begonnen. Etwa um 16 Uhr sei der Unfall passiert.

Die ... BG lehnte die Gewährung von Leistungen ab (Bescheid vom  27.01.2015). Es liege kein Versicherungsfall vor, da die Klägerin weder als Beschäftigte, noch als sog. Wie-Beschäftigte unter Versicherungsschutz gestanden habe. Vielmehr habe es sich beim Holzsägen um eine Gefälligkeitsleistung unter Verwandten gehandelt, die nicht versichert gewesen sei.

Den gegen diese Entscheidung erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin nicht, woraufhin dieser zurückgewiesen wurde (Bescheid vom 26.03.2015).

Die Klägerin erhob daraufhin Klage beim SG Heilbronn (S 6 U 1197/15). Es habe kein Gefälligkeitsverhältnis vorgelegen. Die familiäre Beziehung zwischen Nichte und Onkel/Tante sei weniger intensiv als zwischen Geschwistern. Außerdem sei die Gefälligkeitsschwelle bereits nach ein bis zwei Stunden überschritten. Hinzu komme noch die erhöhte Gefährlichkeit der Tätigkeit.

Das Gericht wies die Klage ab (Urteil vom 18.06.2015). Die Klägerin sei im Rahmen des Sägens nicht als Beschäftigte versichert gewesen. Auch eine Wie-Beschäftigung habe nicht vorgelegen, da die Tätigkeit auf einer Sonderbeziehung beruht habe. Grund sei die familiäre Verbundenheit gewesen. Entsprechend habe die Klägerin auch gegenüber der ... BG von einem Gefälligkeitsverhältnis gesprochen. Dieser Einordnung stehe auch die Gefährlichkeit der Tätigkeit nicht entgegen. Die Arbeit mit einer Wippsäge sei zwar gefährlich, aber nicht in einem derartigen Ausmaß, dass sie nur von Experten bedient werden könnte. Die Hilfeleistung überschreite nicht das zwischen Verwandten übliche Ausmaß. Der zeitliche Umfang von mindestens einem Tag spreche nicht gegen eine Gefälligkeit. Je enger eine verwandtschaftliche Bindung sei, desto eher liege eine Gefälligkeit vor. Im Hinblick auf das gute Verhältnis der Klägerin zu ihrer Tante und ihrem Onkel sei vorliegend von einer solchen auszugehen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin laut Niederschrift angegeben, dass es für sie angesichts des Alters ihrer Verwandten klar gewesen sei, dass sie helfe. Es sei um ihre einzige Tante gegangen, zu der ein offenes, vertrautes Verhältnis bestehe. Sie habe dieser schon öfter geholfen, manchmal kurz hintereinander, manchmal längere Zeit nicht, zumindest aber einmal im Jahr.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens (L 8  2726/15) fiel der ... BG ihre fehlende Zuständigkeit für den vorliegenden...

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