Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung. Asylbewerberleistung. Grundleistungen gem § 3 AsylbLG. Darlegung und Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit. kein Anordnungsanspruch im Hinblick auf beim BVerfG anhängige Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Grundleistungen. Unterstützungsleistungen der Kinder. Aufenthalt zu Besuchszwecken. kein Anspruch gem § 2 Abs 1 AsylbLG wegen rechtsmissbräuchlicher Beeinflussung der Aufenthaltsdauer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat der um Asylbewerberleistungen Nachsuchende seine aktuelle Hilfebedürftigkeit substantiiert darzulegen und mit den zur Glaubhaftmachung gesetzlich vorgesehenen Mitteln zu belegen, dass er nicht über Einkommen und Vermögen verfügt, welches er zur Sicherung seines Lebensunterhalts einsetzen kann.

2. Aus in der Vergangenheit liegenden, nicht fortwirkenden Ereignissen oder Umständen, die Anlass zu Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit des um Asylbewerberleistungen Nachsuchenden in der Vergangenheit bieten, kann für die Beurteilung der aktuellen Hilfebedürftigkeit grundsätzlich nichts hergeleitet werden.

3. Es besteht auch in Ansehung der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der gesetzlichen Grundleistungen nach § 3 Abs 2 AsylbLG kein Anordnungsanspruch auf weitergehende Grundleistungen.

 

Orientierungssatz

1. Haben Hilfebedürftige einen rechtlich gesicherten Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch ihre Kinder nach den familienrechtlichen Grundsätzen des Verwandtenunterhalts unter nahen Angehörigen nicht nachvollziehbar dargelegt und hat der Leistungsträger die Leistungsfähigkeit der Kinder nicht aufgeklärt, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich bei den Unterstützungsleistungen der Kinder der Hilfebedürftigen um Gefälligkeiten im Rahmen des Eltern-Kind-Verhältnisses handelt, ohne dass die Eltern hierauf einen gesetzlichen Anspruch haben.

2. Ein Leistungsanspruch nach §§ 3 ff AsylbLG wird nicht dadurch eingeschränkt oder gerät gänzlich in Wegfall, wenn sich die Hilfebedürftigen des Öfteren bei ihrem Kind und dessen Ehegatten aufgehalten haben bzw aufhalten.

3. Hilfebedürftige haben keinen Anspruch auf Analog-Leistungen gem § 2 Abs 1 AsylbLG, wenn sie die Dauer ihres Aufenthaltes in rechtsmissbräuchlicher Weise selbst beeinflusst haben, indem sie im Zuge der mehrfach durchgeführten Asyl(folge-)verfahren wechselnde Angaben zu ihrer Volkszugehörigkeit gemacht haben.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird einstweilen verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur Bekanntgabe einer förmlichen Entscheidung über den Antrag der Antragsteller vom 29. April 2011 ab dem 26. Mai 2011 Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einschließlich der Leistungen bei Krankheit nach § 4 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu gewähren und ihnen ab sofort eine Unterkunft im Geltungsbereich der zu den Duldungen der Antragsteller verfügten Wohnsitzauflagen unentgeltlich als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Im Übrigen wird der Antrag der Antragsteller abgelehnt.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

Den Antragstellern wird ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. in G. mit der Maßgabe bewilligt, dass die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller nur in dem Umfang erstattungsfähig sind, wie sie bei Beauftragung eines im Bezirk des erkennenden Sozialgerichtes ortsansässigen Rechtsanwaltes angefallen wären.

 

Gründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den derzeit mit Wohnsitzauflage für die Samtgemeinde H. geduldeten und aufgrund von diversen Erkrankungen behandlungsbedürftigen Antragstellern - kosovarische Staatsangehörige, deren Volkszugehörigkeit nicht abschließend geklärt ist und deren mehrfach gestellte Asyl(folge-)anträge ohne Erfolg blieben - Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG unter Übernahme der Kosten der Anmietung einer Wohnung in der I. in J., hilfsweise Grundleistungen nach §§ 3 f. AsylbLG in verfassungsgemäßer Höhe zu gewähren, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen - insbesondere hinsichtlich des "Hauptantrages" - dagegen unbegründet, sodass der Antrag insoweit abzulehnen war.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Falle des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 -, BVerfGE 46 [...

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