Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. mehrtägige Klassenfahrt. schulrechtliche Bestimmungen des Landes Niedersachsen. Runderlass. Verhinderung der Ausgrenzung eines Schülers bei Nichtteilnahme. sozialgerichtliches Verfahren. Urteil ohne mündliche Verhandlung. Zustimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Erklärt der Beklagte auf die Anfrage des Gerichts, ob er einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) zustimme, er sei mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden, so ist dies nicht im Sinne einer Beschränkung zu verstehen, sondern im Sinne einer Zustimmung und (vorsorglichen) Erweiterung (im Sinne von "im Falle der fehlenden Zustimmung auch durch Gerichtsbescheid").
2. Zur Ausfüllung des Begriffs der Klassenfahrt in § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 kann auf die Definition der Schulfahrt in dem zum Nds Schulgesetz (juris: SchulG ND) ergangenen Runderlass zurückgegriffen werden.
3. Es kommt jedoch nicht darauf an, ob die Veranstaltung, deren Kosten der Grundsicherungsträger übernehmen soll, mit den Bestimmungen untergesetzlicher Vorschriften (hier: Runderlass) vereinbar ist. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob für den hilfebedürftigen Schüler eine Teilnahme wie bei allen anderen Schülern des Klassenverbandes vorgesehen ist bzw in vergleichbarer Weise vorausgesetzt wird und eine Nichtteilnahme zur Ausgrenzung wegen der Bedürftigkeit führen würde.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 verurteilt, an die Klägerin 310,- EUR zu zahlen.
2. Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine Studienreise der Klägerin nach G. im Rahmen eines Leistungsverhältnisses nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1992 geborene Klägerin ist seit dem Schuljahr 2004/2005 Schülerin des Realschulzweiges der H. Schule in I.. Das Schulanmeldeformular vom 10.06.2004 enthält unmittelbar vor der Unterschriftszeile den Hinweis "Fester Bestandteil unseres Schulprogramms ist eine Sprachreise nach G. im 9. Jahrgang. Mit Ihrer Anmeldung akzeptieren Sie diese Fahrt." . Das Schulprogramm der Schule enthielt im Abschnitt 5 "Schulinterne Fahrten/Freizeiten" einen längeren Abschnitt 5.2 "Sprachreise nach G. ", der den einwöchigen Aufenthalt in J. vorrangig beschreibt und als Ziel in erster Linie die Verbesserung der Sprachkompetenzen benennt.
Ab August 2006 besuchte die Klägerin die neunte Klasse. Im September 2006 informierte die Schulleitung die Eltern über die im Zeitraum vom 18. - 23.03.2007 vorgesehene einwöchige Studienfahrt nach G.. In dieser Mitteilung heißt es "Für die 9. Realschulklasse ist die Fahrt Teil unseres Schulprogramms und darum erwarten wir, dass die Klasse auch geschlossen an der Fahrt teilnimmt.".
Am 16.01.2007 beantragte die durch ihre Mutter vertretene Klägerin bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für die Studienfahrt. Mit Bescheid vom 18.01.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Bei der beantragten Reise handele es sich nicht um eine Klassenfahrt im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin - die an der Studienfahrt nach Zahlung eines Betrages von 310,- EUR teilnahm - begründete die Klägerin mit der Bescheinigung der Schulleiterin vom 30.01.2007, in der es heißt " […] bestätige ich, dass die Klasse 9 RS in diesem Schuljahr keine Klassenfahrt durchführt, so dass unsere Studienreise an die Stelle einer Klassenfahrt tritt. Es wäre für [die Klägerin, Ergänz. d. Ger.] äußerst wünschenswert, wenn sie teilnehmen könnte." .
Der Beklagte wies mit Bescheid vom 02.04.2007 zurück. Nach dem Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums könnten die Kosten für Schulfahrten ins Ausland nur bei Abschlussklassen der Sekundarstufe I übernommen werden.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin hat weitere Bestätigung der Schulleiterin vom 05.07.2007 vorgelegt, in der diese schreibt "Diese Fahrt ist Bestandteil unseres Schulprogramms. Sie wird im Englischunterricht vorbereitet und auch ausgewertet. Diese Auswertung wird auch bewertet, so dass eine Nichtteilnahme durchaus eine Benachteiligung der Schülerin darstellen kann."
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 zu verurteilen, an die Klägerin 310,- EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unzulässig, weil nicht ersichtlich sei, wogegen sich die Klage richte. Er beruft sich auf die Bestimmungen des zum Niedersächsischen Schulgesetz ergangenen Runderlasses.
Auf Anfrage des Gerichts hat die Schulleiterin der H. Schule unter dem 07.03.2008 das Schulprogramm übersandt und mitgeteilt, die Fahrt werde für den 9. Jahrgang der Realschule verbindlich durchgeführt. Sie werde im Unterricht vorbereitet und anschließ...