Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. besondere Aufwendungen. Erstattung der Umsatzsteuer. Anwendung der Regelungen des Umsatzsteuerrechts. Umsatzsteuersatz von 19% bei Gutachtenversand bis 30.6.2020. Portoauslagen für Universaldienstleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen des Umsatzsteuerrechts sind für die Erstattung der Steuer nach § 12 JVEG zugrunde zu legen.
2. Für bis 30.6.2020 versendete Sachverständigengutachten ist ein in Rechnung gestellter Umsatzsteuersatz von 19 Prozent zu ersetzen. Nicht maßgeblich ist der Eingang des Gutachtens bei Gericht.
3. Die zu erstattende Umsatzsteuer erfasst nicht Portoauslagen für Universaldienstleistungen, weil diese nach § 4 Nr 11b UStG (juris: UStG 1980) umsatzsteuerbefreit sind.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für seine Tätigkeit als Sachverständiger im gerichtlichen Verfahren S 9 U 62/19 wird auf 786,01 EUR festgesetzt.
Gründe
Auf den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Festsetzung seiner Vergütung für die Erstellung des durch das Gericht beauftragte Sachverständigengutachten im Verfahren S 9 U 62/19 gemäß § 4 Abs. 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) erfolgt die Festsetzung in der genannten Höhe.
Rechtsgrundlage für den Ersatz der Umsatzsteuer ist § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG, wonach der Sachverständige die auf seine Vergütung entfallende Umsatzsteuer als Aufwendung geltend machen kann. Die anfallende Umsatzsteuer bestimmt sich nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes. Hierbei handelt es sich um eine Anknüpfung an das Umsatzsteuerrecht und das Umsatzsteuerverfahren (BSG, Urteil vom 02.10.2008, B 9 SB 7/07 RRn. 12 (juris)). Zielrichtung ist, dass weder eine Umsatzsteuer ersetzt werden soll, die nicht abzuführen war, noch dass demjenigen, der eine Vergütung nach JVEG enthält, der Betrag vorenthalten wird, weil die zur Zahlung der Vergütung verpflichtete Behörde meint, eine Umsatzsteuerpflicht liege nicht vor (BSG, Urt. vom 02.10.2008, aaO). Das Bundesozialgericht stellt hierbei auf eine gegenüber dem Vergütungsantragsteller ergangene endgültig bindende Entscheidung der Finanzbehörde oder eines Finanzgerichts ab. Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht - wie im vom BSG entschiedenen Fall bereits der Umstand der Umsatzsteuerverpflichtung zweifelhaft- sondern ausschließlich die Höhe der zu vergütenden Umsatzsteuer.
Es erscheint unverhältnismäßig, den Antragsteller auf die Einleitung einer finanzbehördlichen oder finanzgerichtlichen Entscheidung für den Ersatz einer Umsatzsteuerdifferenz von 3 Prozentpunkten zu verweisen, um darauf eine abschließende Vergütungsentscheidung zu treffen, wenn bereits aus den vorliegenden Umständen eine Lösung des Sachverhalts möglich ist. Zutreffend hat der Sachverständige der Rechnung seines Sachverständigengutachtens den bis zum 30.06.2020 geltenden Umsatzsteuersatz von 19% zugrunde gelegt. Die Gutachtenerstellung unterliegt der Umsatzsteuer.
Nach § 1 Nr. des Umsatzsteuergesetzes (UStG) handelt es sich bei Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt um einen der Umsatzsteuer unterliegenden
Umsatz. Bei dem vom Sachverständigen erstellten Gutachten für das Sozialgericht im Rahmen der Tätigkeit seines Gutachteninstituts ist dies der Fall. Insbesondere ist das Gutachten als Leistung nicht nach § 4 UStG von der Steuer befreit. Im vorliegenden Fall bestimmt sich die Umsatzsteuerpflicht nicht nach dem Zeitpunkt des Eintreffens des Gutachtens am Bestimmungsort, wie der Antragsteller zu Recht ausgeführt hat.
Die Kammer hat Zweifel, ob der vom Antragsgegner zugrunde gelegte Rechtsstandpunkt, dass die Erstellung eines beratenden Gutachtens für ein Sozialgericht als Werklieferungsvertrag und steuerrechtlich als Lieferung im Sinne des § 3 Abs 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) zu qualifizieren ist, die zutreffende Rechtsanwendung darstellt. Hieraus ergibt sich jedoch für den vorliegenden Fall keine Auswirkung. Auch wenn die Rechtsauffassung des Antragsgegners zu Grunde gelegt würde, wäre eine Umsatzsteuer von 19% zu entschädigen. Nach § 3 Abs. 6 UStG gilt bei einer Versendung des Gegenstands der Lieferung diese als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Mit§ 3 Abs. 6 S. 1 UStGsoll nach Auffassung des BFH als Rechtsfolge neben der Festlegung des Orts einer Beförderungslieferung oder Versendungslieferung auch der Beginn der Beförderung oder Versendung als besonderer Lieferzeitpunkt fingiert werden (vgl. mwN: Leonard/Robisch, in Bunjes, UStG 19. Auflage 2020, Rn. 201 (beck-online); dagegen: Frye, UR 2013, 889). Dem kann seitens des Antragsgegners das auf § 2 Abs. 1 JVEG gestützte Argument, die Verjährung des Anspruchs auf Vergütung beginne mit dem Eingang des Gutachtens bei Gericht nicht entgegengehalten werden. Das Recht der Umsatzbesteuerung kann einen eigenen Zeitpunkt normieren oder auch fingieren, der für die Erstattung nach § 12 JVEG zu übernehmen ist. Dies sieht die Kamm...