Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Einpersonenhaushalt im Kreis Dithmarschen. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Vergleichsraumbildung. ländlicher Raum. verkehrstechnische Verbundenheit und räumliche Nähe. Pkw-Nutzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Mietwertgrenzkonzept des Kreises Dithmarschen Fortschreibung 2018 ist kein schlüssiges Konzept im Sinne der BSG-Rechtsprechung.

2. Der Kreis Dithmarschen ist kein einheitlicher örtlicher Vergleichsraum im Sinne der BSG-Rechtsprechung.

3. Bei der Bestimmung eines Vergleichsraums haben verkehrstechnische Verbundenheit und räumliche Nähe als Teilaspekte beherrschendes Gewicht.

4. Verkehrstechnische Verbundenheit und räumliche Nähe dürfen bei Grundsicherungsleistungen nicht entscheidend durch ein nicht systemfinanziertes Mobilitätsmittel (Pkw-Nutzung) begründet sein.

 

Tenor

Der Bescheid vom 24.1.19 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2019 sowie der Bescheid vom 19.3.19 werden abgeändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bruttokaltmiete von 533,70 EUR im Leistungszeitraum 1.2.2019 bis 30.9.2019 zu gewähren.

Die außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt der Beklagte.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die den Klägern zustehenden berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Leistungszeitraum 1.2.2019 bis 30.9.2019.

Die im Jahr 1986 geborene geschiedene, alleinerziehende Klägerin zu 1.) steht mit ihren im Jahr 2008 und 2011 geborenen Töchtern im Leistungsbezug des Beklagten. Mit Bescheid vom 17. Mai 2017 gewährte die Pflegekasse der Klägerin zu 3.) wegen eines Pflegegrads 1 einen monatlichen Entlastungsbetrag von 125 EUR. Die Klägerin zu 2.) hat seit November 2017 den Pflegegrad 3 von der Pflegekasse zuerkannt. Die Klägerin zu 3.) besucht ein Förderzentrum in M….

Die Klägerin zu 1.) absolvierte nach ihrem Förderschulabschluss eine Berufsausbildung zur Alltagshelferin, arbeitete Teilzeit auf einer wöchentlichen Arbeitszeit von 8 Stunden zu einem Stundenlohn von 9,00 EUR als Hauswirtschafterin und wurde am 28.2.2018 in diesem Arbeitsverhältnis gekündigt. Die Klägerin zu 1.) erzielt derzeit kein Erwerbseinkommen. Die Klägerinnen zu 2.) und 3.) erhalten Unterhaltsvorschuss in Höhe von je 205 EUR monatlich sowie Kindergeld in gesetzlicher Höhe.

Die Klägerinnen bewohnen seit mindestens 1.2.2014 eine Dreizimmer- Erdgeschosswohnung unter der Adresse L… in H.... Die Wohnung hat eine Wohnfläche von 66,01qm. Die Kaltmiete beträgt seit 1.10.2018 398,70 EUR, zuzüglich 85 EUR Heizkostenvorauszahlung und 135 EUR Betriebskostenvorauszahlung monatlich. Nach einer Modernisierung und der Erzielung eines Heizkostenguthabens aus der Abrechnung ist seit 1. April 2019 die Heizkostenvorauszahlung auf 70 EUR monatlich gefallen.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 13.8.2018 gewährte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen im Zeitraum 1.10.2018 bis 30.9.2019. Der Beklagte forderte die Klägerinnen unter dem 27.9.2018 zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf. Er teilte mit, der Höchstmietbetrag für den Wohnort H... für die Klägerin zu 1.) und ihre Angehörigen betrage „476,25,00“ EUR zuzüglich Heizkosten, forderte sie zur Kostensenkung auf und räumte den Klägerinnen eine Übergangsfrist von 3 Monaten ein und kündigte an, ab 1.2.2019 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Mit (streitigem) Änderungsbescheid vom 24.1.2019 gewährte der Beklagte den Klägerinnen nach § 48 SGB X geringere Leistungen nach dem SGB II, indem er den ab Januar 2019 um je 8 Euro höheren Unterhaltsvorschuss der Klägerinnen zu 2.) und 3.) bedarfsmindernd berücksichtigte und ab Februar 2019 die Miethöchstgrenze von 489,75 EUR für einen Drei-Personen Haushalt.

Hiergegen erhoben die Klägerinnen am 12.2.2019 Widerspruch und trugen vor, die Wohnmarktanalyse sei im Hinblick auf die aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30.1.2019 nicht weiter anwendbar. Die Klägerin zu 1.) sei zudem alleinerziehend. Eine Frist von lediglich 3 Monaten zur Kostensenkung sei verfehlt, es sei regelmäßig eine Regelfrist von 6 Monaten einzuräumen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.2.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Mietobergrenze sei durch den Kreis nach einem schlüssigen Konzept der Firma Analyse & Konzepte erstellt und festgesetzt und betrage 489,75 EUR brutto kalt. Die tatsächliche Bruttokaltmiete von monatlich 533,70 EUR liege darüber. Abweichungen seien nur in begründeten Ausnahmefällen erforderlich, etwa, wenn aufgrund Krankheit oder Behinderung besondere Anforderungen an die Größe zu stellen seien oder ein Umzug wegen Krankheit oder Behinderung nicht zumutbar sei. Die Voraussetzungen lägen nicht vor. Es gebe keine Anhaltspunkte, die für das volle Ausschöpfen der Regelhöchstfrist erforderlich seien. Die Widerspruchsführerin habe am 14.1.2019 selbst innerhalb d...

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