Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Anforderung an die Wirksamkeit eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen von Unterkunftskosten. Ermittlung angemessener Unterkunftskosten bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts
Orientierungssatz
1. Bei einem in Bezug auf Bevölkerungsdichte und Sozialstruktur heterogenen Landkreis muss der Vergleichsraum für die Ermittlung angemessener Unterkunftskosten für ein schlüssiges Konzept eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht notwendig das gesamte Kreisgebiet umfassen. Bei der Festlegung der Vergleichsräume innerhalb eines Landkreises sind aber diese Räume so zu bilden, dass eine ausreichend große Anzahl an Wohnbebauung enthalten ist, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe, der im gebildeten Raum verfügbaren Infrastruktur und insbesondere auch der verkehrstechnischen Verbundenheit einen homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet.
2. Fehlt es an einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, ist auf die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes nur ausnahmsweise dann zurückzugreifen, wenn es an Daten zum Wohnungsmarkt fehlt, die es dem Grundsicherungsträger oder dem Gericht ermöglichen, selbst Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten zu treffen.
3. Einzelfall zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts durch das Sozialgericht unter Nutzung von Wohnungsmarktdaten.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 19.02.2014 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17.04.2014 in Gestalt des Ände-rungsbescheides vom 17.04.2014 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete von 633,00 € zzgl. Heizkos-ten zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt 50 % der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Sie wohnten im streitgegenständlichen Zeitraum und wohnen noch heute in einer 79,65 qm großen Wohnung in H…, Amt Moorrege. Die Nettokaltmiete hierfür beträgt 570,00 €, die Nebenkostenvorauszahlung 80,00 € monatlich.
Auf entsprechenden Weiterbewilligungsantrag waren ihnen mit Bescheid vom 10.10.2012 Leistungen für den Zeitraum November 2012 bis einschließlich April 2013 aufgrund zu erwartenden schwankenden Einkommens zunächst vorläufig bewilligt worden. Nach Erlass mehrere Änderungsbescheide erging am 19.02.2014 der streitgegenständliche Änderungsbescheid, mit welchem der Beklagte Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 605,00 € bruttokalt ab Januar 2013 als angemessen anerkannte.
Hiergegen erhoben die Kläger am 03.03.2014 Widerspruch, den sie nicht weiter begründeten.
Am 17.04.2014 erließ der Beklagte zunächst einen weiteren Änderungsbescheid mit welchem für den Zeitraum Januar bis einschließlich April 2013 ein monatlicher Heizkostenabschlag in Höhe von 120,00 € anerkannt wurde.
Am selben Tage erging sodann der Widerspruchsbescheid des Beklagten, mit dem der Widerspruch teilweise als unzulässig verworfen und teilweise nach Erlass des Änderungsbescheides vom 17.04.2014 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Mit dem Widerspruch habe lediglich die verfügte Änderung (Anhebung auf den ab 2013 geltenden Höchstbetrag bei den Kosten der Unterkunft im Mietobergrenzverfahren) angefochten werden können. Bei der Überprüfung des gewährten Unterkunftskosten sei festgestellt worden, dass die Zahlung eines Heizkostenabschlages in Höhe von 120,00 € als angemessen anzuerkennen gewesen sei, was durch Änderungsbescheid vom selbigen Tage umgesetzt worden sei. Im Übrigen sei der Bescheid rechtmäßig.
Am 23.05.2014 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich insgesamt 770,00 € betragen hätten, der Beklagte letztlich aber nur 725,00 € seiner Leistungsbewilligung zu Grunde gelegt hätte. Dieser Kürzung liege kein schlüssiges Konzept des Beklagten zu Grunde.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 19.02.2014 in Gestalt des Widerspruchbescheides und des Änderungsbescheides vom 17.04.2014 zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete von 650,00 € zzgl. Heizkosten zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und meint der Kürzung der gewährten Kosten der Unterkunft liege ein schlüssiges Konzept zu Grunde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Ents...