Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für einen Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche
Orientierungssatz
1. Hält sich ein Unionsbürger zum Zeitpunkt der Antragstellung von Leistungen des SGB 2 mehr als drei Monate in der BRD auf, so greift die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 ein.
2. Ein materielles Aufenthaltsrecht zu dessen Gunsten nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG ist ausgeschlossen, wenn er sich mangels Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. einer Berufsausbildung nicht als Arbeitnehmer oder Auszubildender in der BRD aufhält.
3. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, sie suchen weiterhin Arbeit und haben begründete Aussicht, eingestellt zu werden. Daran fehlt es grundsätzlich, wenn der Antragsteller kein Deutsch spricht. Ein beabsichtigtes dreiwöchiges Berufspraktikum stellt lediglich ein unbedeutendes Beschäftigungsverhältnis ohne erkennbaren wirtschaftlichen Wert dar.
4. Ein lediglich formelles Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 4 FreizügG bewirkt keine Leistungsberechtigung nach dem SGB 2, wenn dem Antragsteller keine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG oder ein anderes Aufenthaltsrecht zur Seite steht (Anschluss BSG Urteil vom 03. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R).
Tenor
I. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1995 geborene Antragsteller ist lettischer Staatsangehöriger. Am 24.09.2015 schloss er einen Arbeitsvertrag mit der Zeitarbeitsgesellschaft L-GmbH über eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter bei der S-GmbH & Co.KG in der Niederlassung Thüringen. Das Arbeitsverhältnis endete am 14.10.2015 durch Kündigung des Antragstellers (Kündigungsschreiben vom 13.10.2015).
Der Antragsteller beantragte am 17.12.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Antragsgegner.
Mit Bescheid vom 17.12.2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Leistungen, da er ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitssuche habe.
Am 23.12.2015 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Karlsruhe die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung trägt er vor, er sei dringend auf Leistungen angewiesen, da ihm keine finanziellen Mittel zur Verfügung stünden. Er legte seinem Antrag einen Auszug des Praktikumsvertrages mit der B. für die Zeit vom 11.01.2016 bis 31.01.2016 sowie ein Schreiben seines Rechtsanwaltes an den Antragsgegner bei, mit welcher der Rechtsanwalt mitteilte, die Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis mit der L-GmbH sei nicht wirksam bzw. auf unlauterem Wege entstanden (Schreiben vom 11.12.2015).
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er die im Ablehnungsbescheid vom 17.12.2015 angeführte Begründung.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie den der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
1.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist als ein solcher auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da in der - noch zu erhebenden - Hauptsache eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungssache gem. § 54 Abs. 4 SGG vorliegt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 24).
Soweit der Antragsteller (bislang) keinen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 17.12.2015 erhoben hat, steht dies der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Der Ablehnungsbescheid vom 17.12.2015 ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht bestandskräftig (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b, Rn. 26d).
2.
Der Antrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der gebotenen summarischen Prüfung hat er keinen Anspruch auf Leistungen gegen den Antragsgegner, da er nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschossen ist (dazu a.). Darüber hinaus hat er auch keinen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger, da er nicht glaubhaft gemacht hat, Leistungsberechtigt nach § 19 SGB XII zu sein (dazu b.).
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr be...