Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Darlehen für Mietschulden. vergleichbare Notlage. wiederholte Stromschulden und -sperrung. sozialwidriges Verhalten
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn zu Gunsten eines Leistungsempfängers bereits in einem vorangegangenen Zeitraum durch den Leistungsträger Stromschulden übernommen worden sind, der Leistungsempfänger wiederholt mit Stromzahlungen in Rückstand geraten ist und erhebliche Zweifel daran bestehen, dass die Entstehung neuer Stromschulden künftig zuverlässig vermieden wird, kann die erneute Übernahme von Stromschulden ausscheiden.
2. Das mehrmalige und damit wiederholte Auflaufen von Stromschulden spricht dafür, dass billigend in Kauf genommen bzw nicht gezahlt wurde im Vertrauen darauf, dass der Leistungsträger möglicherweise (erneut) die wieder aufgelaufenen Schulden schon übernehmen und die Stromsperre verhindern bzw beseitigen wird. In einem solchen Fall sozialwidrigen Herbeiführens von Rückständen erscheint eine Hilfegewährung nicht gerechtfertigt (vgl LSG Stuttgart vom 13.3.2013 - L 2 AS 842/13 ER-B = ZFSH/SGB 2013, 487 und LSG Mainz vom 27.12.2010 - L 3 AS 557/10 B ER = NDV-RD 2011, 82).
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der zulässige Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist unbegründet.
Mit dem am 15.04.2013 gestellten Antrag begehrt die Antragstellerin - entgegen des eine Übernahme von Stromschulden in Höhe von 4.344,- € ablehnenden Bescheides vom 15.04.2013 - die Verpflichtung des Antragsgegners zur Begleichung von Stromrückständen bei der E. zwecks Aufhebung der am 26.03.2013 erfolgten Stromsperre.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind gemäß § 86b Abs. 2 SGG ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Ein Anordnungsgrund ist gemäß § 86b Abs. 2 SGG gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird oder wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b SGG, Rn. 2a).
1. Ein Anordnungsanspruch ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 22 Abs. 8 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) können, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen und Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
In den mit einer Stromsperre verbundenen Auswirkungen liegt grundsätzlich eine mit der Sicherung der Unterkunft vergleichbare Notlage entsprechend § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II vor (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.09.2012, L 14 AS 2105/12 B ER). Des Weiteren handelt es sich bei dem Begriff "gerechtfertigt" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Hierbei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wobei die Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, das Alter sowie eventuelle Behinderungen der jeweiligen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, das in der Vergangenheit vom Hilfesuchenden gezeigte Verhalten (erstmaliger oder wiederholter Rückstand, eigene Bemühungen, die Notsituation abzuwenden und die Rückstände auszugleichen) und ein erkennbarer Wille zur Selbsthilfe zu berücksichtigen sind. Dabei kann es insbesondere darauf ankommen, ob sich der Leistungsberechtigte missbräuchlich verhalten hat. Dies ist im Regelfall zu bejahen, wenn der Hilfesuchende seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet und sein Verhalten darauf schließen lässt, dass er auf eine (darlehensweise) Übernahme entstehender Schulden durch den Leistungsträger vertraut oder gar spekuliert. In einem solchen Fall wird die Notlage gezielt zu Lasten des Leistungstr...