Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Arbeitsweg. sachlicher Zusammenhang. selbstgeschaffene Gefahr. Fahrfehler. Nichtbefolgen der Anschnallpflicht. Bremsvorgang auf gerader Strecke und bei hoher Geschwindigkeit. Betätigung der Handbremse/Feststellbremse

 

Leitsatz (amtlich)

Fahrfehler begründen regelmäßig keine selbstgeschaffene Gefahr mit der Folge, dass Unfallversicherungsschutz fortbesteht.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2006 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 30. Juni 2005 auf der Landstraße L 1125 zwischen Öschelbronn und Niefern als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass es sich bei dem von ihm am 30. Juni 2005 erlittenen Verkehrsunfall um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Der 1979 geborene Kläger befuhr am 30. Juni 2005 gegen 11.50 Uhr mit einem Pkw Toyota Yaris die L 1125 zwischen Ö. und N., ohne angegurtet zu sein. Dabei geriet er auf gerade Strecke auf die Gegenfahrspur und kollidierte dort mit einem entgegen kommenden Pkw der Marke Volvo. Bei dem Pkw-Frontalzusammenstoß wurde der Kläger aus dem Fahrzeug geschleudert. Dabei erlitt er laut Durchgangsarztbericht des Unfallchirurgen Dr. S. vom 30. Juni 2005, 13.02 Uhr, erstdiagnostisch folgende Verletzungen: Polytrauma mit Schädelhirntrauma, Kantenabsprengung ventral am Foramen ovale mit Verlagerung einer knöchernen Spange in das Mark des Hirnstamms, geschlossene Oberschenkelfraktur rechts, geschlossene Oberarmfraktur links, geschlossene laterale Claviculafraktur rechts, ausgedehnte Schädel-Hinterhaupts-Weichteil-Verletzung (noch nicht wundversorgt), Hand-Weichteil-Verletzung links, Wunde rechte Schulter ventral und Hypothermie. Vom Klinikum P. wurde der Kläger noch am Unfalltag in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik L. verlegt. Im Entlassungsbericht der BG Klinik L. vom 01. August 2005 teilte Dr. M. mit, der Kläger habe sich vom 30. Juni bis zum 28. Juli 2005 in stationärer Behandlung befunden. Die Diagnosen seien folgende: Zustand nach Verkehrsunfall mit Schädelhirntrauma und kleiner Kontusion frontal links, Nervus Trochlearis Parese linkes Auge, Skalpierungsverletzung, laterale Clavikulafraktur rechts, Armplexusparese links, Humerusschaftfraktur links Typ 12 B 3, Oberschenkelschaftfraktur rechts Typ 32 B 3, Lungenkontusion beidseitig. Ob der Kläger in der Lage sein werde, seinen bisherigen Beruf als Busfahrer weiter auszuüben, bleibe fraglich.

In der Unfallanzeige vom 07. Juli 2005 gab das Reisebüro W., vertreten durch den Bruder des Klägers, an, der Kläger sei bei der Fahrt von Ö. nach N. beim Bremsen in den Gegenverkehr gefahren. Die W. GmbH als Arbeitgeber des Klägers machte gegenüber der Beklagten unter dem 04. August 2005 folgende Angaben zu den GmbH-Verhältnissen: Die GmbH sei am 23. Juli 1987 ins Handelsregister eingetragen worden; ihr Stammkapital betrage 100.000 DM, Gesellschafter der GmbH seien der Vater des Klägers mit 40.000 DM, die beiden Geschwister des Klägers mit je 20.000 DM und der Kläger selbst mit ebenfalls 20.000 DM. Der Kläger sei bei der GmbH für ein monatliches Bruttoentgelt von 2.260,58 Euro zuzüglich eines Sachbezugs von 239,42 Euro durch Arbeitsvertrag vom 01. Juni 2002 als Busfahrer angestellt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers betrage 40 Stunden; der Kläger könne seine Tätigkeit nicht frei bestimmen; er arbeite nach Weisung und müsse sich Urlaub genehmigen lassen. Es gelte die gesetzliche Kündigungsfrist.

Im Bericht des Berufshelfers H. vom 23. September 2005 hieß es, der Kläger befinde sich derzeit in der Gehschule bei 20 kg Teilbelastung mit Gehwagen. Auf Stationsebene sei er noch auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Wenn ausreichende Mobilität für den häuslichen Bereich vorliege, sei die Entlassung aus der stationären Behandlung geplant, voraussichtlich in der 40. Kalenderwoche. Ab der 42. Kalenderwoche sei eine erneute Behandlung in K-L. angedacht. Der Kläger sei zuletzt im Betrieb der Eltern tätig gewesen. Das Unternehmen bestehe aus einem Reisebüro für Busreisen sowie dem Fuhrpark, mit dem eigene Busreisen organisiert und durchgeführt würden. Als gelernter Kfz-Mechaniker sei der Kläger für die Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge zuständig gewesen, daneben habe er Dienstpläne erstellt und sei auch selber Schulbus gefahren. Der Bruder habe die kaufmännische Leitung, die Schwester solle nach abgeschlossener Ausbildung das Reisebüro übernehmen. Die Führung des Betriebes obliege derzeit dem Vater. Der Kläger sei derzeit auf die Einnahme von Oxygesic angewiesen und schon deshalb fahruntüchtig. Der weitere Verlauf des Heilverfahrens sei abzuwarten, insbesondere der Funktionsgewinn im linken Arm und die Schmerzproblematik. Auf die bislang widersprüchlichen Aussagen vom Unfallhergang befragt, habe ihm der...

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