Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anforderungen an die sog. verdeckte Treuhand bei zwischen Familienangehörigen geltend gemachten Treuhandverhältnissen. Umfang des Einsatzes von Vermögen zur Rückzahlung zu Unrecht erlangter Grundsicherungsleistungen
Orientierungssatz
1. Ein auf den Namen eines Grundsicherungsempfängers angelegtes Festzinssparbuchs ist grundsätzlich diesem als Vermögen zuzurechnen, auch wenn das Guthaben vollständig durch Leistung Dritter (hier: der Eltern) geschaffen wurde. Die Annahme eines Treuhandverhältnisses in Form einer verdeckten Treuhand zugunsten eines Dritten scheidet jedenfalls solange aus, wie nicht eindeutig erkennbar ist, dass der Grundsicherungsempfänger tatsächlich in Bezug auf das Sparguthaben im fremden Interesse oder Namen handelt (Anschluss LSG Baden-Würtemberg, Urteil vom 22. Juli 2011, L 12 AS 4994/10).
2. Im Falle der Erstattung von zu viel erbrachten Grundsicherungsleistungen wegen Rücknahme des Leistungsbescheides nach § 45 SGB 10 muss die Rückforderungsbetrag nicht auf die Höhe des verwertbaren Vermögens beschränkt werden. Vielmehr ist das gesamte verfügbare Vermögen für die Rückzahlung einzusetzen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger, die im Bezug von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - gestanden haben, wenden sich gegen die Aufhebung und Rückforderung erbrachter Leistungen in Höhe von 4.694,88 € (Bescheid 1) und 5.570,52 € (Bescheid 2).
Der 1980 geborene Kläger zu 1), seine Ehefrau, die 1988 geborene Klägerin zu 2) und deren 2007 geborener Sohn, der Kläger zu 3), bezogen von der Beklagten im Zeitraum zwischen September 2008 und August 2009 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 10.265,40 €. Am 22. Oktober 2009 hörte die Beklagte die Kläger zu 1) und 2) jeweils schriftlich zu der Tatsache an, ihr sei im Rahmen des automatisierten Datenabgleichs gemeldet worden, dass sie über dem Grundsicherungsträger verschwiegenes Vermögens von 22.220,64 € verfügten und ihnen im Jahre 2008 Kapitalerträge in Höhe von 500,-- € von der Sparkasse G. gutgeschrieben worden seien. Im Rahmen der Selbsthilfe seien Einkommen und Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorrangig einzusetzen. Demgemäß seien Hilfesuchende verpflichtet, Einkünfte und Vermögenswerte vor und während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II dem Grundsicherungsträger bekannt zu machen. Aus diesem Grunde seien die Kläger aufgefordert, das Vermögen, das sie aufgrund der obengenannten Meldung hätten oder gehabt hätten, lückenlos zu belegen. Der Antwort werde bis spätestens 10. November 2009 entgegengesehen.
Am 28. Oktober 2010 sprach der Kläger zu 1) bei der Beklagten unter Vorlage folgender Nachweise vor: Kopie Festzinssparbuch, Vollmacht und Zinsbescheinigung 2008. Zur Erläuterung trug er vor, das Sparbuch gehöre seinen Eltern. Er habe nicht gewusst, dass er dies der Beklagten hätte angeben müssen.
Die an den Kläger zu 1) adressierte Zinsbescheinigung der Sparkasse G. für das Jahr 2008 vom 26. Oktober 2009 wies Zinserträge in Höhe von brutto 737,04 € aus. Das auf den Kläger ausgestellte Sparbuch der Sparkasse G. wies insbesondere folgende Guthabenbeträge aus:
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01.10.2007 |
22.000,68 € |
22.07.2008 Zinsen 2007 |
136,78 € |
22.07.2008 Bonus |
283,18 € |
22.07.2008 Barabhebung |
200,00 € |
22.07.2008 |
22.220,64 € |
… |
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17.02.2009 |
22.792,68 € |
Unter dem 10. Juni 2010 hörte die Beklagte die Kläger schriftlich dazu an, dass sie beabsichtigte, die an sie adressierten Bewilligungsbescheide über die Gewährung von laufenden Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 9. September 2008 bis zum 31. August 2009 aufzuheben und sie zur Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von bis zu 10.265,40 € heranzuziehen. Grund dafür sei, dass die Kläger bei Antragstellung über Vermögenswerte in Höhe von 22.220,64 € verfügten, dies dem Grundsicherungsträger aber verschwiegen hätten. Erst über einen automatischen Datenabgleich mit dem Bundesamt für Steuern sei im Oktober 2009 bekannt geworden, dass die Kläger im Jahre 2008 Zinserträge in Höhe von über 500,-- € erlangt hätten. Nach genauer Prüfung des Sachverhalts und Berücksichtigung dieses Vermögens stehe damit fest, dass die Kläger von Anbeginn der Antragstellung an nicht hilfebedürftig gewesen seien. Frist zur Äußerung werde bis zum 27. Juni 2010 gesetzt. Der Kläger äußerten sich nicht.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 29. Juni 2010 verfügte die Beklagte sodann die den Klägern bewilligten laufenden Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 9. September 2008 bis zum 31. August 2009 in Höhe von insgesamt 5.570,52 € und 4.694,88 € (= 10.265,40 €) aufzuheben und zur Erstattung zurückzufordern.
Die dagegen am 15. Juli 2010 erhobenen Widersprüche ließen die Kläger wie folgt begründen: Die Aufhebungs- und Erstattungsforderung werde von der Beklagten zu Unrecht geltend gemacht. Den Kläg...