Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Eingliederungsverwaltungsakt. Geltungsdauer von 6 Monaten auch nach Neufassung des § 15 Abs 3 S 3 SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

Auch nach der Neufassung des § 15 Abs 3 SGB II darf die Höchstgeltungsdauer von 6 Monaten ohne Ermessenserwägungen nicht überschritten werden, soweit es sich um einen Eingliederungsverwaltungsakt gem § 15 Abs 3 S 3 SGB II handelt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.03.2019; Aktenzeichen B 14 AS 28/18 R)

 

Tenor

1. Der Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2017 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.04.2017.

Die am ... geborene Klägerin befindet sich im laufenden Leistungsbezug des Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt wurden ihr Leistungen für den Zeitraum bis 31.12.2017 gewährt.

Nachdem die Klägerin auf die Überlassung einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II nicht reagierte und eine solche dementsprechend nicht zustande kam, legte der Beklagte einseitig mittels Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.04.2017 Leistungen zur Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt fest. Die Gültigkeitsdauer des Eingliederungsverwaltungsaktes wurde für die Zeit vom 03.04.2017 bis “auf weiteres„ festgesetzt. Der Verwaltungsakt könne mit einer Nebenbestimmung versehen werden. Hiervon werde Gebrauch gemacht um die Gültigkeit zu konkretisieren. Die Inhalte des Bescheides würden regelmäßig überprüft und im gegebenen Falle mit neuem ersetzendem Verwaltungsakt fortgeschrieben. Dies erfolge insbesondere, wenn eine wesentliche Änderung in den persönlichen Verhältnissen eine Anpassung der vereinbarten Maßnahmen, Leistungen des Jobcenters und der Pflichten der Klägerin erforderlich mache. Das Gleiche gelte, wenn das Ziel der Integration in den Arbeitsmarkt nur aufgrund von Anpassungen und Änderungen erreicht bzw. beschleunigt werden könne.

Die Klägerin wiedersprach dem Eingliederungsverwaltungsakt. Die aufgeführten Eingliederungsleistungen stellten keine Leistungen zur Eingliederung im Sinne des SGB II dar. Des Weiteren sei kein konsensualer Abschluss angestrebt worden.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2017 zurück. Der Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.04.2017 halte einer Überprüfung stand.

Hiergegen richtet sich die am 22.05.2017 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobene Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 03.04.2017 begehrt. Sie trägt zusammengefasst vor, der Eingliederungsverwaltungsakt sei rechtswidrig da dieser keine konkreten Leistungszusagen enthalte, sondern lediglich reine Ermessensleistungen.

Die Klägerin beantragt,

den Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2017 aufzuheben.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den angegriffenen Eingliederungsverwaltungsakt für rechtmäßig und verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte Band IV des Beklagten sowie auf die Verfahrensakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Der angegriffene Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2017 ist aufgrund seiner unbestimmten Geltungsdauer und fehlender konkreter Regelung zur Überprüfung der Inhalte rechtswidrig und daher aufzuheben.

1. Der Beklagte hat für den Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.04.2017 keine Beschränkung der Geltungsdauer vorgenommen. Eine solche ergibt sich auch nicht aus einer Nebenbestimmung.

Rechtsgrundlage des angegriffenen Eingliederungsverwaltungsaktes vom 03.04.2017 stellt § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 dar. Demnach sollen die Regelungen nach § 15 Abs. 2 SGB II durch Verwaltungsakt getroffen werden, wenn eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Leistungsberechtigten nicht zustande kommt. Die Eingliederungsvereinbarung soll gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden.

Eine Beschränkung der Geltungsdauer einer Eingliederungsvereinbarung lässt sich dem Wortlaut der Neuregelung des § 15 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 (n.F.) im Gegensatz zu der Vorgängerregelung des § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der Fassung vom 24.03.2011 (a.F.), wonach eine Eingliederungsvereinbarung für sechs Monate geschlossen werden soll, nicht entnehmen. Der Gesetzgeber hat mit der vom 26.07.2016 geschaffenen Neufassung des § 15 SGB II keine ausdrückliche Änderung hinsichtlich der Geltungsdauer von Eingliederungsverwaltungsakten nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II n.F. (vorher: § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II a.F.) vorgenommen. Der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8041, S. 36) lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber in Bezu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge