Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Nothilfe. Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers wegen stationärer Krankenhausbehandlung. örtliche Zuständigkeit. Bedürftigkeit des Nothilfeempfängers. Unaufklärbarkeit. Beweislast
Leitsatz (amtlich)
1. Kein Anspruch des Nothelfers auf Kostenerstattung für medizinische Behandlung aus Sozialhilfemitteln bei nicht feststellbarer Bedürftigkeit.
2. Keine Haftung des Trägers der Sozialhilfe als Ausfallbürge bei ungeklärter Bedürftigkeit.
Orientierungssatz
Nach § 98 Abs 2 S 3 Alt 4 SGB 12 hat in einem Eilfall der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält, unverzüglich über die Hilfe zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme von Kosten in Höhe von 3.168,19 € für die stationäre Behandlung der am … 1993 geborenen rumänischen Staatsangehörigen B. L. C. (im Folgenden C.) in der Zeit vom 28.06. bis zum 02.07.2014 im Wege der Nothilfe aus Mitteln der Sozialhilfe geltend.
C. zog am 17.04.2014 von O./Nordrhein-Westfalen in eine Wohnung im Anwesen E.-R.-Straße 6 (so die Angabe in der Auskunft des Einwohnermeldeamts) oder 8 (so die Angabe der C. selbst), K.. Am 28.06.2014, einem Samstag, wurde sie um 21:38 Uhr wegen Hämoptysen (= Bluthusten) in der Medizinischen Klinik II des von der Klägerin betriebenen Krankenhauses stationär aufgenommen. Im Rahmen des Aufnahmegespräches gab C. u. a. an, sie halte sich seit etwa zwei Wochen zu Besuch in Deutschland auf und sei weder in Rumänien noch in Deutschland krankenversichert. Weder sie noch ihre Angehörigen könnten deshalb die Krankenhauskosten zahlen. Zugleich stellte sie Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und dem Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Die Entlassung der Klägerin aus der stationären Behandlung erfolgte am 02.07.2014 unter der Hauptdiagnose einer gesicherten Lungentuberkulose. Für die stationäre Behandlung fielen Kosten in Höhe von 3.168,19 € an.
Am 30.06.2014 (Montag) zeigte die Klägerin der Beklagten an, sie habe C. am 28.06.2014 notfallmäßig in ihre Isolierstation aufgenommen. Zugleich bat sie um Übernahme der anfallenden Krankenhauskosten für die Dauer der medizinisch notwendigen Behandlungszeit. In der Folge lehnten das Jobcenter Stadt K. den Antrag der C. auf Leistungen nach dem SGB II (Bescheid vom 17.07.2014) und die AOK K. eine Versicherungspflicht oder freiwillige Versicherung der C. ab (Bescheid vom 04.11.2014). Die rumänische Sozialversicherung teilte der Klägerin am 05.07.2014 mit, C. sei dort nicht krankenversichert. Versuche der Beklagten, mit C. telefonisch und brieflich Kontakt aufzunehmen und deren persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse zu klären, blieben erfolglos. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, Voraussetzung für eine Kostenerstattung an den Nothelfer sei eine Leistungsberechtigung der in Not geratenen Person nach dem SGB XII; sie habe für die Zeit der stationären Behandlung der C. jedoch deren persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse und damit eine Bedürftigkeit nicht ausreichend ermitteln können (Bescheid vom 20.10.2014, Widerspruchsbescheid vom 22.12.2014).
Deswegen hat die Klägerin am 20.01.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, im Fall der C. habe ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne vorgelegen. Sie habe die Patientin wegen Bluthustens stationär aufgenommen. Da von einem größeren Blutverlust auszugehen gewesen sei, habe Lebensgefahr bzw. die Möglichkeit des Eintritts eines lebensgefährlichen Zustands bestanden. Sie habe die Beklagte wegen deren fehlender Dienstbereitschaft am Aufnahmetag erst am darauffolgenden Montag informieren können. C. sei auch bedürftig gewesen, da weder ein vorrangig Verpflichteter vorhanden sei noch eine Krankenversicherung in Deutschland oder Rumänien bestehe. Gleiches gelte für eventuell vorrangige Leistungsansprüche nach dem SGB II. C. habe überdies zum Zeitpunkt der Notfallbehandlung angegeben, über keinerlei Einkünfte oder Vermögen zu verfügen. Die Beklagte habe die von ihr von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der C. verzögert und nur ungenügend durchgeführt. Dies dürfe nicht zu ihren - der Klägerin - Lasten ausfallen. Jedenfalls unter Berücksichtigung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei die Beklagte zur Kostenübernahme verpflichtet. Bei unmittelbarer Kenntnis über die Notfallbehandlung bereits am 28.06.2014 hätte die Beklagte Hilfe bei Krankheit nach den Bestimmungen des SGB XII gegenüber C. erbracht.
Das Gericht hat zu Beweiszwecken Auskünfte des Jobcenters O. und der Stadt O. eingeholt, die einen Leistungsbezug der C. dort nach dem SGB II und dem SGB...