Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. traumatischer Bandscheibenvorfall. ursächlicher Zusammenhang. Gelegenheitsursache

 

Leitsatz (amtlich)

Die Feststellung eines traumatischen Bandscheibenvorfalls als Unfallfolge setzt den Nachweis knöcherner und/oder ligamentärer Begleitverletzungen der maßgebenden Wirbelkörper selbst oder doch zumindest der den maßgebenden Abschnitt der Wirbelsäule begleitenden Muskel- und Bandstrukturen voraus.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung von Bandscheibenveränderungen an der Halswirbelsäule (HWS) als weitere Folgen eines Arbeitsunfalls vom 10.02.2010.

Der 1970 geborene, als Kundendienstberater bei der Fa. XY GmbH, K, beschäftigt gewesene Kläger saß am 10.02.2010 an seinem Arbeitsplatz auf einem Fitnessball, als dieser während des Verkaufsgesprächs platzte. Der Kläger fiel dadurch aus Sitzhöhe auf das Becken und den Rücken. Gegenüber dem Chirurgen Prof. Dr. H. klagte er bei der Erstuntersuchung am Unfalltag über Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) mit Druck- und Klopfschmerzen und Ausstrahlung in beide Beine sowie über Kopfschmerzen. Prof. Dr. H. erhob radiologisch keinen Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung oder Luxation, jedoch eine beginnende Spondylophytenbildung im Segment L5/S1. Als Gesundheitsstörung diagnostizierte er eine Prellung der LWS und des Steißbeins (vgl. Durchgangsarztbericht vom 10.02.2010). Eine am 01.03.2010 durchgeführte Kernspintomographie der LWS und der Brustwirbelsäule ergab keinen Nachweis einer frischen knöchernen oder diskoligamentären Verletzung, jedoch eine alte Kompressionsfraktur des Brustwirbelkörpers 8 mit ventraler Höhenminderung, geringgradige Bandscheibenprotrusionen in einzelnen Segmenten ohne relevante Stenosierung des Spinalkanals oder der Neuroforamina und eine Retrolysthese im Segment L5/S1 Grad I, ferner unregelmäßige Berandungen der Wirbelkörperabschlussplatten in mehreren Thorakalsegmenten wie bei einem Morbus Scheuermann (vgl. Befundbericht des Radiologen PD Dr. A. vom 04.03.2010). Prof. Dr. H. erachtete den Kläger ab dem 12.03.2010 als wieder arbeitsfähig. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete er über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus mit weniger als 10 v. H. (vgl. Mitteilung vom 11.03.2010).

Wegen “akuter Schmerzen„ im Bereich der HWS, ziehend über Schultergelenk, Oberarm und Parästhesien des Zeigefingers suchte der Kläger im April 2010 den Orthopäden Dr. M. auf (vgl. Arztbrief vom 19.04.2010). Die von diesem veranlasste Kernspintomographie der HWS erbrachte den Nachweis eines kräftigen rechtsmediolateralen Prolapses im Segment C5/6, eine Myelon- und C6-Komprimierung, ferner geringe Osteochondrosen in den Segmenten C4/5 und C6/7 sowie multisegmental an der miterfassten Brustwirbelsäule, ferner zwischen C7 und Th5 multisegmentale Bandscheibenprotrusionen (vgl. Arztbrief der Radiologin Dr. Br. vom 19.04.2010).

Bei einer Nachuntersuchung durch Prof. Dr. H. am 22.04.2010 gab der Kläger an, er habe “vor einer Woche bei Schreibtischarbeiten„ plötzlich ein Stechen in der HWS verspürt und leide “seither„ unter Schmerzen und einer Bewegungseinschränkung in der rechten Schulter sowie Sensibilitätsstörungen und Kribbeln im rechten Daumen (vgl. Zwischenbericht vom 22.04.2010).

Gegenüber dem Neurochirurgen Prof. Dr. S. gab der Kläger bei einer ambulanten Vorstellung im Juli 2010 an, er leide “seit April„ unter teils heftigen, bis in den rechten Daumen ausstrahlenden Schmerzen und einem Kribbelgefühl (vgl. Schreiben vom 08.07.2010).

Vom 21.07.2010 bis zum 11.08.2010 absolvierte der Kläger ein von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bewilligtes Heilverfahren in der Reha-Klinik Ha., Ba.. Die Klinikärzte führten im Entlassungsbericht vom 11.08.210 unter anderem aus, die Symptome eines typischen unteren Zervikalsyndroms mit rezidivierenden, rechts betonten Cervicobrachialgien seien durch eine radiologisch gesicherte degenerative Bandscheibenschädigung C5/6 mit bereits sichtbarer Osteochondrose und Spondylosis deformans in Kombination mit einer Fehlhaltung und nicht unerheblichen muskulären Haltungsdysbalancen im Bereich der Schultergürtelmuskulatur bedingt.

Eine im August 2010 durchgeführte erneute Kernspintomographie der HWS ergab einen eher progredienten Befund im Vergleich zum April 2010 (vgl. Arztbrief des Radiologen Dr. G. vom 23.08.2010).

Am 29.09.2010 unterzog sich der Kläger im Kreiskrankenhaus Bl. einer Operation des Bandscheibenvorfalls im Segment C5/6 (vgl. Entlassungsbericht vom 22.11.2010 und Operationsbericht vom 29.09.2010). Nachfolgend befand sich der Kläger erneut in einem Heilverfahren in der Reha-Klinik Ha., Ba. (vgl. Entlassungsbericht vom 05.11.2010).

Bereits am 15.02.2010 zeigte der frühere Arbeitgeber des Klägers das Unfallereignis der Beklagten als Arbeitsunfall an. Nach weiterer Sachaufklärung lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen...

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