Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. traumatischer Bandscheibenschaden an der Halswirbelsäule. Begleitverletzungen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Feststellung eines unfallbedingten Bandscheibenvorfalls setzt den Nachweis knöcherner oder disco-ligamentärer Begleitverletzungen der betroffenen Wirbelkörper oder der den maßgebenden Abschnitt der Wirbelsäule begleitenden Muskel- und Bandstruktur voraus.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folgen eines Arbeitsunfalls vom 14.03.2011.

Der 1964 geborene, ab Juni 2009 als Kfz-Mechaniker bei der Firma C. Kfz-Meisterwerkstatt beschäftigt gewesene Kläger zeigte der Beklagten am 15.12.2011 ein Ereignis vom 14.03.2011 als Arbeitsunfall an: Er habe an diesem Tag zunächst mit zwei Schlagschraubern erfolglos versucht, eine fest sitzende Achsmutter an einem Pkw zu lösen. Danach habe er das auf der Hebebühne stehende Fahrzeug auf Hüfthöhe abgesenkt und einen Knebel und eine etwa 1,3 m lange Stange angesetzt. Aus gebückter Haltung habe er mehrfach mit aller Kraft nach oben gedrückt, dies teilweise unter wippenden Bewegungen. Beim dritten Versuch habe er die Stange erneut unter Spannung gesetzt, als sich die Mutter “etwas gelöst„ habe. Dabei habe er einen starken Schlag verspürt, der ihm bis in den Hals gezogen sei. Er habe nachfolgend weitergearbeitet. Am Abend des Unfalltages hätten sich bei ihm Nacken- und Armschmerzen eingestellt. Am nächsten Morgen habe er den Kopf kaum drehen können und sich arbeitsunfähig krank gemeldet. Er habe schon seit Jahren Beschwerden in beiden Ellenbogen; diese seien jedoch anderer Art als nach dem Unfallereignis. Der Chirurg Dr. Sch., den der Kläger erstmals am 14.11.2011 aufsuchte, diagnostizierte als Gesundheitsstörung eine Entzündung der Trizepssehne links ohne Anhalt für eine knöcherne Verletzung.

Durch Bescheid vom 22.12.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, das geplante Lösen einer fest sitzenden Schraube mit einer Metallstange als Hebel stelle eine vom Kläger willentlich gesteuerte und kontrollierte Körperbewegung dar. Damit fehle es an dem für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderlichen Merkmals eines “äußeren Ereignisses„. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 4 U 2613/12) blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.06.2012, Urt. v. 29.10.2013). Im nachfolgenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 1 U 5330/13) schlossen die Beteiligten am 27.10.2014 einen gerichtlichen Vergleich, demzufolge die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.06.2012 das Unfallereignis als Arbeitsunfall und als dessen Folge eine Ellenbogenzerrung links anerkannte. Weiterhin erklärte sich die Beklagte zur Prüfung und Erteilung eines rechtsbehelfsfähigen Bescheides darüber bereit, ob und ggf. welche weiteren Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anzuerkennen seien.

Hierzu erteilte die Beklagte den (Ausführungs-)Bescheid vom 25.11.2014, durch den sie als Unfallfolgen

“Zerrungen des linken Ellenbogens und der Halswirbelsäule (HWS)„

anerkannte. Diese Gesundheitsschäden seien spätestens sechs Wochen nach dem Unfall folgenlos ausgeheilt; Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien deshalb über den 24.04.2011 hinaus nicht zu erbringen. Bandscheibenvorfälle an der Halswirbelsäule seien nicht als Unfallfolgen anzuerkennen, da keine begleitenden knöchernen oder Bandverletzungen vorlägen. Ein geltend gemachter Riss der Bizepssehne links sei nicht nachgewiesen. Bei der von den Gutachtern im Verfahren S 4 U 2613/12 (Dres. C. und M.) diagnostizierten chronisch-entzündlichen Reizung der Ansatzpunkte der Trizepssehne am Ellenende handele es sich nicht um eine Unfallfolge, sondern um einen Überlastungsschaden. Schließlich sei das Unfallereignis bereits dem Grunde nach nicht geeignet gewesen sei, einen psychischen Gesundheitsschaden - hier: mittelgradige Depression - nach sich zu ziehen. Ursache der Depression des Klägers seien vielmehr eine finanzielle Notlage bei noch zu tilgendem Hauskredit und der zeitweise Arbeitsplatzverlust wegen Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet außerhalb des Risikobereichs der gesetzlichen Unfallversicherung.

Den dagegen erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger die Anerkennung eines Bandscheibenvorfalls im Segment C 5/6, einen Riss der Bizepssehne links, ein posttraumatisches Zervikalsyndrom/Distorsion, einen Reizzustand am linken Unterarm/Ellenbogen sowie eine Depression als weitere Unfallfolgen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 24.04.2011 hinaus begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.04.2015).

Am 15.05.2015 hat der Kläger erneut Klage zum SG erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begrün...

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