Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Ausbildungsprämie plus nach der Förderrichtlinie für das Bundesprogramm "Ausbildungsplätze sichern". Antragserfordernis. Beifügung der erforderlichen Unterlagen. Wahrung der Antragsfrist. Folgenbeseitigungsanspruch. Hinweispflicht bei fehlenden erforderlichen Unterlagen
Leitsatz (amtlich)
Ein Antrag auf eine "Ausbildungsprämie plus" ist erst gestellt, wenn alle erforderlichen Unterlagen eingereicht sind. Fehlt eine Unterlage, muss die Agentur für Arbeit den Antragsteller umgehend darauf hinweisen. Tut sie dies nicht und versäumt der Antragsteller deshalb die Antragsfrist, ist er so zu stellen, als habe er die Frist gewahrt.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 8.6.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.7.2022 verurteilt, der Klägerin für die Ausbildung von M.E. eine „Ausbildungsprämie plus“ in Höhe von 6.000 € zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf eine „Ausbildungsprämie plus“; die Beklagte meint, die Klägerin habe die Antragsfrist versäumt.
Die Klägerin betreibt ein Dentallabor. Am 16.7.2021 schloss sie mit der Auszubildenden M.E. einen Vertrag über eine Ausbildung zur Zahntechnikerin. Die Ausbildung sollte vom 1.9.2021 - 29.2.2024 dauern, bei einer viermonatigen Probezeit bis zum 31.12.2021.
Am 16.3.2022 beantragte die Klägerin im Hinblick auf diese Ausbildung bei der Beklagten eine „Ausbildungsprämie plus“.
Laut Vermerk wurde der Antrag bei der Beklagten nach dem Scannen in ein „falsches Postfach geschoben, sodass der Antrag erst im April ... bearbeitet werden konnte“.
Mit E-Mail vom 5.4.2022 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass der Antrag unvollständig sei; es fehle noch eine (näher bezeichnete) Bescheinigung der Handwerkskammer. Sie bitte die Klägerin, ihr dieses Formular zuzusenden.
Noch am selben Tag legte die Klägerin der Beklagten die fehlende Bescheinigung vor. Am 1.6.2022 teilte die Klägerin ergänzend mit, die Bescheinigung der Handwerkskammer habe sie versehentlich dem Antrag nicht beigefügt gehabt; sie bitte dies zu entschuldigen. Hätte die Beklagte die Bescheinigung früher nachgefordert, hätte sie, die Klägerin, diese auch früher nachreichen können.
Mit Bescheid vom 8.6.2022 lehnte die Beklagte die beantragte Leistung ab. Zur Begründung gab sie an, nach der Ersten Förderrichtlinie zum Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ müsse der komplette Antrag spätestens drei Monate nach Ende der Probezeit eingereicht werden. Das habe die Klägerin versäumt.
Hiergegen legte die Klägerin am 1.7.2022 Widerspruch ein. Sie machte geltend, nach der Förderrichtlinie sei innerhalb der dreimonatigen Frist nur der Antrag zu stellen. Etwaige fehlende Bescheinigungen könnten auch nach Ablauf der Frist vorgelegt werden - nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sogar noch im Widerspruchsverfahren. Die Vollständigkeit der Unterlagen sei nur für die Reihenfolge bedeutsam, in der die Anträge bearbeitet werden; das ergebe sich aus Ziff. 1.6 der Förderrichtlinie. Im vorliegenden Fall habe die Probezeit von Frau E. am 31.12.2021 erfolgreich geendet. Angesichts dessen sei der Antrag auf eine „Ausbildungsprämie plus“ vom 16.3.2022 rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen Frist erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.7.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, gemäß Ziff. 6.2 der Förderrichtlinie seien Anträge nach den Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit und unter Verwendung der vorgesehenen Antragsformulare und Beifügung der erforderlichen Unterlagen zu stellen; die Bundesagentur für Arbeit stelle eine Übersicht der erforderlichen Unterlagen zur Verfügung. Aus dieser Regelung folge, dass ein wirksamer Antrag erst dann vorliege, wenn alle erforderlichen Unterlagen vollständig eingereicht seien. Die dafür maßgebliche Frist habe im vorliegenden Fall mit dem 31.3.2022 geendet. Hierbei handele es sich um eine Ausschlussfrist. Erst nach Fristablauf, am 5.4.2022, habe die Klägerin ihren Antrag vervollständigt. Zu diesem Zeitpunkt habe „das Recht nicht mehr ausgeübt“ werden können.
Mit der am 2.8.2022 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Sie trägt ergänzend vor, sei - entsprechend der Ansicht der Beklagten - die rechtzeitige Vorlage auch der Bescheinigung der Handwerkskammer Voraussetzung für einen wirksamen Antrag, so hätte sie, die Klägerin, die Verspätung jedenfalls nicht zu vertreten. Denn bei einem früheren Hinweis der Beklagten auf deren Fehlen hätte sie, die Klägerin, diese Bescheinigung noch vor Ablauf der Dreimonatsfrist nachgereicht.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8.6.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.7.2022 zu verurteilen, ihr für die Ausbildung von M.E. eine „Ausbildungsprämie plus“ in Höhe von 6.000 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und trägt ergänze...