Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Geltendmachung einer Mietminderung. tatsächliche Aufwendungen. Unterkunftsbedarf. Berücksichtigung des herabgesetzten Mietzinses durch den Grundsicherungsträger. unberechtigte Kürzung

 

Leitsatz (amtlich)

Macht ein Bezieher von Arbeitslosengeld II gegenüber seinem Wohnungsvermieter geltend, die vereinbarte Miete sei wegen eines Mangels der Wohnung herabgesetzt, so verringert sich in gleichem Umfang sein Bedarf für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. Anders verhält es sich nur, wenn die Wohnung ganz offensichtlich keinen Mangel aufweist und die Kürzung der Miete deshalb eindeutig unberechtigt ist; dann darf und muss das Jobcenter denjenigen Mietzins berücksichtigen, der im Mietvertrag vereinbart ist.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die teilweise Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II für Juni 2019 sowie die Erstattung erbrachter Leistungen.

Der Kläger bezieht vom Beklagten fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 16.8.2018 beantragte er die Weiterbewilligung. Dabei gab er u.a. an, er habe Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 440 € (345 € Kaltmiete zzgl. 95 € Nebenkosten).

Mit Bescheid vom 22.8.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.10.2018 - 30.9.2019. In der Folgezeit änderte der Beklagte die Bewilligung mehrfach (Bescheide vom 30.10.2018, 24.11.2018, 1.3.2019 und 15.5.2019). Die Leistungen für Juni 2019 setzte er zuletzt auf 873,75 € fest: Neben dem Regelbedarf (424 €) und einem Mehrbedarf für Warmwasserbereitung (9,75 €) berücksichtigte er einen Unterkunftsbedarf in Höhe von 440 €.

Statt 440 € überwies der Kläger seinem Vermieter am 3. und 5.6.2019 Miete nur in Höhe von insgesamt 374,01 €.

Nach vorangegangener Anhörung hob der Beklagte mit Bescheid vom 2.3.2020 die Bewilligung für Juni 2019 in Höhe von 65,99 € auf; zugleich forderte er vom Kläger in diesem Umfang Erstattung. Zur Begründung gab er an, der Kläger habe im Juni 2019 weniger Miete gezahlt. Dadurch habe sich sein Unterkunftsbedarf verringert. Obwohl der Kläger dazu verpflichtet gewesen sei, habe er diesen Umstand nicht unverzüglich mitgeteilt; das sei grob fahrlässig gewesen. Außerdem habe er gewusst oder jedenfalls wissen müssen, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld II teilweise entfallen sei. Vor diesem Hintergrund seien die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III und § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids erfüllt. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen müsse der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X erstatten.

Hiergegen legte der Kläger am 6.4.2020 Widerspruch ein. Er machte geltend, es sei keineswegs klar, dass eine Mietminderung den Bedarf für Unterkunft verringere: § 22 Abs. 3 SGB II regele Fälle, in denen sich (durch Rückzahlungen und Guthaben) der Unterkunftsbedarf reduziere. Die Mietminderung sei in dieser Vorschrift nicht erwähnt. Das lasse möglicherweise den Schluss zu, nach Auffassung des Gesetzgebers solle sich eine Mietminderung nicht auf den Bedarf für Unterkunft auswirken. Im Übrigen gehe eine Mietminderung manchmal einher mit zusätzlichen Aufwendungen an anderer Stelle - z.B. für einen Radiator bei unzureichender Heizung. Auch aus diesem Grund wäre es ungerecht, ließe die Mietminderung den Anspruch auf Leistungen teilweise entfallen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.4.2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er ergänzend aus, maßgeblich für den Unterkunftsbedarf nach § 22 SGB II seien die tatsächlichen Kosten. Verringerten sich die Kosten durch eine Mietminderung nach § 536 BGB, so entfalle in gleichem Umfang der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Anders verhalte es sich nur, wenn die Mietminderung offensichtlich unbegründet sei. Ein solcher Fall habe hier aber nicht bestanden. Denn der Vermieter des Klägers sei zumindest bereit gewesen, mit dem Kläger einen gerichtlichen Vergleich über die Höhe der Miete zu schließen. Der Kläger habe es versäumt, ihm, dem Beklagten, die Mietminderung unverzüglich mitzuteilen. Er müsse alle für die Leistung relevanten Änderungen anzuzeigen - auch dann, wenn die rechtlichen Folgen nicht ganz eindeutig seien.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 15.5.2020 erhobenen Klage. Er trägt ergänzend vor, die Mietminderung sei Gegenstand eines Verfahrens beim Amtsgericht Karlsruhe-Durlach (2 C 115/19). In diesem Verfahren behaupte sein Vermieter, er, der Kläger, habe die Mängel der Mietwohnung selbst verursacht. Träfe dies zu, wäre die Mietminderung zivilrechtlich offensichtlich unbegründet - mit der sozialrechtlichen Folge, dass der Bedarf für Unterkunft unverändert bliebe. Im Übrigen habe er zwischenzeitlich, am 15.5.2020, an seinen Vermieter einen weiteren Cent Miete für Juni 2019 überwiesen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge