Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. kein Ruhen während einem vorübergehenden Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union. Ermessensentscheidung der Krankenkasse. Auferlegung von Verschuldenskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Krankengeld besteht auch während eines Urlaubs innerhalb der Europäischen Union, sofern Arbeitsunfähigkeit besteht und bescheinigt ist (Anschluss an SG Würzburg vom 13.12.2016 - S 6 KR 511/16, juris).
2. Ist das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit des Versicherten unstreitig festgestellt, so bleibt für eine Ermessensentscheidung der Krankenkasse hinsichtlich einer Zustimmung zu dem Auslandsaufenthalt nach § 16 Abs 4 SGB V kein Raum mehr (Anschluss an LSG Essen vom 27.8.2015 - L 5 KR 292/14, juris).
3. Eine Ermessensausübung nach § 16 Abs 4 SGB V ist unter anderem fehlerhaft, wenn wesentliche Aspekte nicht in die Abwägung mit einbezogen worden sind (hier: kein Eingehen auf die möglichen Vorteile eines Erholungsurlaubs mit der Familie; keine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass der Urlaub bereits vor Eintritt der Erkrankung gebucht war; kein Eingehen auf die möglichen Gesundheitsgefahren, wenn die Familie des - psychisch erkrankten - Versicherten den Jahresurlaub ohne den Versicherten antritt).
4. Bei der Frage, ob einer Behörde Kosten nach § 192 SGG auferlegt werden, ist der Behörde das Wissen eines rechtskundigen Terminvertreters zuzurechnen. Vertritt auch der Terminvertreter die Auffassung, dass wesentliche Ermessenfehler vorliegen, und wird dennoch vollumfänglich an dem Antrag auf Klageabweisung festgehalten, können der Beklagten nach § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG Verschuldenskosten auferlegt werden.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 26.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2017 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
3. Der Beklagten werden Verschuldenskosten in Höhe von 500,-- € auferlegt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld während einer Urlaubsreise ins Ausland im Streit.
Der am .. geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er befand sich ab dem 18.04.2017 bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit in regelmäßiger psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung bei Dr. H. in H. mit einem jeweiligen Abstand zwischen den Terminen von ca. 4 Wochen. Außerdem war er im Zwei-Wochen-Rhythmus bei einer Psychotherapeutin in Behandlung.
Am 17.05.2017 fragte der Kläger telefonisch bei der Beklagten nach, ob er über Pfingsten nach Spanien in ein Ferienhaus fliegen könne, da die Reise schon lange gebucht sei. Sein behandelnder Arzt habe der Reise zugestimmt. Eine Behandlung bei der Psychotherapeutin war während der geplanten Urlaubsreise weder geplant noch möglich, weil diese ebenfalls in den Pfingstferien verreisen wollte.
Der Kläger erhielt am Telefon die Antwort, dass er ein Attest vorlegen möge, während des Auslandsaufenthalts jedoch kein Krankengeld gezahlt werden könne.
Der Kläger legte eine Bescheinigung des Dr. H. vom 23.05.2017 vor, wonach er aus fachpsychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht reisefähig sei. Der Kläger wies in dem Begleitschreiben darauf hin, dass er wegen der Unterbrechung des Krankengeldbezugs bezahlten Urlaub nehmen werde. Insoweit bat der Kläger um weitere Informationen zu den Modalitäten der Weitergewährung von Krankengeld.
Mit Schreiben vom 26.05.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass für die Zeit seiner Urlaubsabwesenheit vom 05.06. bis 15.06.2017 im Ausland der Anspruch auf Krankengeld ruhe. Für die Wiedergewährung von Krankengeld sei es erforderlich, dass der Kläger sich am 16.06.2017 eine erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lasse.
Mit E-Mail vom 02.06.2017 widersprach der Kläger der Weigerung der Beklagten, während seiner Auslandsreise Krankengeld zu zahlen. Er mache Erholungsurlaub in einem EU-Land und Dr. H. habe die Unbedenklichkeit aus medizinischer Sicht attestiert. Eine Sitzung bei seiner Therapeutin sei in dieser Zeit (Pfingstferien) ohnehin nicht geplant gewesen. Der Urlaub zusammen mit seiner Familie sei für sein Wohl mit Sicherheit unendlich viel wertvoller, als alleine zuhause zu sein.
Mit Schreiben vom 02.06.2017, bei der Beklagten eingegangen am 06.06.2017, bekräftigte der Kläger seinen Widerspruch. Die Aussage vom 26.05.2017, dass der Urlaub in Spanien dem Grunde nach akzeptiert werde, aber kein Krankengeld gezahlt werden könne, stehe im Widerspruch zu einer anderen E-Mail an seinen Arbeitgeber, in der es heiße, dass der Auslandsreise wegen einer fehlenden adäquaten Behandlungsmöglichkeit im Ausland nicht zugestimmt werden könne. Er gehe davon aus, dass die ihm gegenüber getätigte Aussage zutreffe, dass der Urlaub an sich akzeptiert sei. Der Widerspruch richte sich daher gegen die Aussetzung der Krankengeldzahlung während dieser Zeit. Er verweise auf § 16 Abs. 4 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld nicht ruhe, solange sich Versicherte nach Eintritt de...