Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechts der Großeltern mit ihrem Enkelkind. keine Bedarfsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechts von Großeltern mit ihren Enkelkindern begründen keinen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf.
2. Zwischen Großeltern und Enkelkindern besteht keine Bedarfsgemeinschaft.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die Bewilligung eines Mehrbedarfs nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts der Klägerin (Kl.) mit ihrer Enkeltochter im Streit.
Die Kl. bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte (Bekl.) bewilligte ihr u. a. durch Bescheid vom 24.10.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Leistungen. Die Kl. ist die Großmutter der am 03.06.2003 geborenen F. Seit Oktober 2012 ist die F. in einem von Wohnort der Kl. ca. 25 Kilometer entfernten Kinderheim untergebracht. Das Sorgerecht für die F. hat - nachdem es deren Eltern entzogen wurde - das Jugendamt. Die F. verbringt 14-tägig die Wochenenden bei der Kl. Die Kl. holt sie dann mit dem Auto freitags im Kinderheim ab und bringt sie sonntags dorthin zurück.
Den Antrag der Kl. vom 15.01.2013 auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen den durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrer Enkeltochter entstehenden Kosten lehnte der Bekl. durch Bescheid vom 28.02.2013 ab. Ein solcher Mehrbedarf könne nur Eltern, die von ihren Kindern getrennt leben, bewilligt werden.
Hiergegen erhob die Kl. am 12.03.2013 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen lediglich ein Mehrbedarf bei getrennt lebenden Eltern anerkannt werde. Auch Großeltern stehe ein Umgangsrecht mit ihren Enkelkindern zu. Durch Widerspruchsbescheid vom 12.06.2013 wies der Bekl. den Widerspruch unter Bekräftigung seiner Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid als unbegründet zurück.
Mit der am 01.07.2013 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt die Kl. ihr Begehren weiter und konkretisiert es insofern, als sie die Fahrtkosten und anteilig den Regelbedarf ihrer Enkeltochter für den Zeitraum des Aufenthalts bei ihr i. H. v. insgesamt 470,70 € geltend mache.
Die Kl. beantragt,
den Bekl. unter Aufhebung des Bescheids vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2013 zu verpflichten, den Bescheid vom 24.10.2012 abändern, und zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Leistungen für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mir ihrer Enkeltochter i. H. v. insgesamt 470,70 € zu bewilligen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte des Bekl. sowie den der Gerichtsakte (S 11 AS 2299/13) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 3, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet. Der Bescheid vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Kl. hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 24.10.2012 und die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrer Enkeltochter.
1. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Bekl. hat zwar explizit kein Verfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X durchgeführt. Ein von der Kl. geltend gemachter Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II ist jedoch kein von der Regelleistung abtrennbarer Streitgegenstand. Über ihn kann nur im Zusammenhang mit dem Anspruch auf die Regelleistung entschieden werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 29/09 R, Rn. 11 - nach juris). Demnach ist der Antrag der Kl. vom 15.01.2013 auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs als Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bezüglich des zuletzt ergangen Bescheids über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II - vorliegend der Bescheid vom 24.10.2012 - auszulegen (Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 27.12.2011, L 19 AS 1558/11 B, Rn. 15 - nach juris).