Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hörgeräteversorgung. zuständiger Rehabilitationsträger. Weiterleitung des Rehabilitationsantrags nach Bewilligung eines Festbetrags. Kostenerstattungsverfahren. preiswerteres Hilfsmittel

 

Leitsatz (amtlich)

Sofern ein Versicherter bei seiner Krankenkasse die Versorgung mit Hörgeräten beantragt und die Kasse daraufhin nur einen Festbetrag bewilligt, wegen der weitergehenden Kosten des Hilfsmittels den Antrag hingegen an einen anderen Reha-Träger weiterleitet, so widerspricht diese bloß teilweise Weiterleitung der gesetzlichen Konzeption des § 14 SGB IX. Zuständiger Rehabilitationsträger bleibt daher die erstangegangene Krankenkasse, auch für die Kosten, die über den Festbetrag hinausgehen.

 

Orientierungssatz

Hat eine Krankenkasse die Versorgung eines Hilfsmittels zu Unrecht abgelehnt, ist ihr im Kostenerstattungsverfahren in der Regel der Einwand abgeschnitten, der Versicherte hätte sich ein preiswerteres Hilfsmittel anschaffen können, das in gleicher Weise geeignet gewesen wäre (vgl BSG vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R = BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 RdNr 26).

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 2.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.8.2016 wird aufgehoben. Die Beigeladene wird verurteilt, dem Kläger 3.051,99 € zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte und die Beigeladene haben als Gesamtschuldner dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Kosten für CROS-Hörgeräte.

Der Kläger arbeitet seit dem Jahre 2003 als Fachreferent für Ergonomie. Infolge eines Akustikus-Neurinoms, das im September 2014 operativ entfernt wurde, ist der Kläger auf dem linken Ohr taub.

Am 10.2.2015 verordnete ihm sein behandelnder HNO-Arzt H. CROS-Hörgeräte.

Mit dieser Verordnung wandte sich der Kläger am 25.2.2015 an die Fa. L. Hörakustik (im Folgenden: Fa. L.). Dort testete er zwei verschiedene Hörgeräte, jeweils in Kombination mit einem CROS-Gerät.

Am 27.2.2015 reichte die Fa. L. bei der Beigeladenen einen Kostenvoranschlag für die Versorgung des Klägers mit einem Hörgerät und einem CROS-Gerät ein. Die voraussichtlichen Kosten bezifferte sie mit 3.833,55 €.

Mit Bescheid vom 6.3.2015 bewilligte die Beigeladene dem Kläger für die beantragte Versorgung Festbeträge für das Hörgerät in Höhe von 700 €, das CROS-Gerät in Höhe von 140 € und zwei Ohrpassstücke in Höhe von jeweils 33,50 € (abzüglich einer Zuzahlung in Höhe von 20 €).

Im Übrigen, also hinsichtlich der weitergehenden Kosten, leitete die Beigeladene den Antrag mit Schreiben vom 6.3.2015 unter Hinweis auf § 14 SGB IX an die Beklagte weiter. Darin führte sie aus, mit der Bewilligung der Festbeträge sei sie ihrer Pflicht zum Behinderungsausgleich nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nachgekommen. Es gebe indes Anhaltspunkte dafür, dass die berufliche Tätigkeit des Klägers besondere Anforderungen an sein Hörvermögen stellt. Sie bitte die Beklagte daher um weitere Prüfung.

Mit Schreiben vom 27.3.2015 schickte die Beklagte die Antragsunterlagen zurück an die Beigeladene. Zur Begründung gab sie an, die Beigeladene habe nicht hinreichend geprüft, ob tatsächlich eine spezifisch berufsbedingte Bedarfslage besteht.

Am 17.8.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Kosten für die Hilfsmittel als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu übernehmen. Er machte geltend, sein Beruf erfordere viel Kommunikation, z.B. bei Besprechungen, Beratungen in Unternehmen und Seminartätigkeit. All dies sei durch die Taubheit auf dem linken Ohr deutlich erschwert: Wenn ihn jemand von der linken Seite anspreche, habe er Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Probleme bereiteten auch Besprechungen in Gruppen. Mit nur einem hörenden Ohr falle es ihm schwer, festzustellen, aus welcher Richtung ein Geräusch oder eine Stimme kommt. Das sei insbesondere bei der Besichtigung von Arbeitsplätzen in den Betrieben misslich. CROS-Hörgeräte würden diese Defizite im Berufsleben gut ausgleichen. Ohne solche Geräte könne er hingegen seine Erwerbstätigkeit kaum in gewohnter Weise fortführen.

Mit Schreiben vom 29.9.2015 wandte sich der Kläger zudem an die Beigeladene und beantragt dort die Übernahme der vollen Kosten für eine Versorgung mit CROS-Hörgeräten. Er machte geltend, durch seine Hörbehinderung werde er im Alltag erheblich beeinträchtigt: Er habe Schwierigkeiten, Gesprächen in akustisch problematischem Umfeld zu folgen, etwa in Gruppen, in großen Räumen oder bei Hintergrundgeräuschen (z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln). Außerdem könne er verschiedene Tonlagen nicht klar unterscheiden (z.B. Frauen- und Männerstimmen), ebenso wenig die Richtung, aus der ein Ton kommt; dies sei insbesondere im Straßenverkehr problematisch. Mit der beantragten Versorgung gehe es ihm um den bestmöglichen Ausgleich an das Hörvermögen von Menschen ohne Hörbehinderung. Dies sei nur mit hochwertigen CROS-Hörgeräten möglich.

Mit Bescheid vom 2.10.2015 lehnte die Beklagte eine Kosten...

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