Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage sowie Aufhebung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts. Anordnung der sofortigen Vollziehung. Anhörung. Begründung. Aufhebung der in Ausführung eines Beschlusses des Sozialgerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufigen Bewilligung von Leistungen. Sozialhilfe für Ausländer. Leistungsausschluss bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Gesetzesänderung zum 29.12.2016. Folgenabwägung. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Vertrauensschutz. Leistungsgewährung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12
Leitsatz (amtlich)
1. Zur formellen und materiellen Bestandskraft rechtskräftiger sozialgerichtlicher, vorläufig bewilligender Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz, der rechtlichen Wirkung eines hierauf beruhenden Ausführungsbescheides, der ungenutzten Möglichkeit einer gerichtlichen Abänderung entsprechender Entscheidungen durch die Verwaltung, einer durch die Verwaltung ohne Einschaltung des Gerichts erfolgenden Abänderung/Aufhebung eines solchen Ausführungsbescheides, der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Aufhebung/Änderung einer solchen ohne gerichtliche Entscheidung erfolgenden Verwaltungsentscheidung, der erstmaligen Anordnung der sofortigen Vollziehung des Aufhebungs-/Änderungsbescheides im Widerspruchsbescheid und den Rechtsfolgen einer wider besseren Wissens im Vorverfahren nicht nachgeholten Anhörung einer zuvor rechtswidrig unterbliebenen Anhörung.
2. Zum möglichen verfassungskonformen Anspruch auf Weitergewährung von Sozialhilfe zumindest im einstweiligen Rechtsschutz durch solche EU-Bürger, die bei Inkrafttreten des § 23 SGB XII in der ab 29.12.2016 geltenden Fassung bereits ohne rechtlich zulässige Befristung im laufenden Bezug von Sozialhilfe gestanden haben bzw nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zuvor einen entsprechenden Anspruch gehabt haben (vgl SG Kassel vom 16.12.2016 - S 12 SO 38/16 ER, vom 13.2.2017 - S 11 SO 7/17 ER und vom 14.1.2017 - S 4 AS 20/17 ER).
Tenor
1. Auf den Antrag der Antragsteller vom 3. Februar 2017 wird die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage der Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Januar 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2017 mit der Folge wiederhergestellt, dass der Antragsgegner auf der Grundlage des Kammerbeschlusses vom 16. Dezember 2016 verpflichtet bleibt, den Antragstellern vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung für die Zeit vom 17. November 2016 bis 31. März 2017, längstens jedoch bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens hinsichtlich des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 10. November 2016, im Umfang der jeweiligen Regelleistungen Hilfe zum Lebensunterhalt in Form des Regelbedarfs nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
2. Der Antragsgegner hat den Antragsteller die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist ein Anspruch der Antragsteller auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII) gegenüber dem Antragsgegner bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen einen den Antragstellern erteilten Aufhebungsbescheid, der zumindest im angefochtenen Widerspruchsbescheid dessen sofortige Vollziehung anordnet.
Der 19xx geborene Antragsteller zu 1), die 19xx geborene Antragstellerin zu 2), der 20xx in E-Stadt geborene Antragsteller zu 3) und der im September 20xx geborene Antragsteller zu 4) sind bulgarische Staatsangehörige. Die Antragsteller zu 3) und 4) sind nach Aktenlage die gemeinsamen Kinder der Antragsteller zu 1) und 2), die nach Aktenlage seit April 2012 in der Bundesrepublik Deutschland leben, jedoch nicht miteinander verheiratet sind. Sie bilden zusammen als Bedarfsgemeinschaft eine Haushalts- und Erziehungsgemeinschaft, wobei sich der Antragsteller zu 1) zwischen Dezember 2015 und April 2016 versicherungspflichtig in Arbeit befand, dann betriebsbedingt gekündigt worden war und schließlich bis zum 21. Oktober 2016 nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) vom Jobcenter des Landkreises E-Stadt befristet Arbeitslosengeld (ALG) II bezog. Die Befristung beruhte auf § 2 Abs. 3 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz EU (FreizügG/EU), nachdem der Antragsteller zu 1) weniger als ein Jahr beschäftigt gewesen ist. Auch die Antragstellerin zu 2) und die Antragsteller zu 3) und 4) hatten insoweit ALG II bezogen.
Im Hinblick auf das Auslaufen der ALG-II-Leistungsgewährung beantragten die Antragsteller dann am 7./8. November 2016 beim Antragsgegner Sozialhilfe nach dem SGB XII, wobei sich dann jedoch noch vor Rücklauf des am 7. November 2016 ausgehändigten Antragsvordruckes ohne erkennbare Einzelfallprüfung ein Aktenvermerk der zuständigen Sachbearbeitung vom selben Tag fand, wonach der Antra...