Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte. Ablehnung der Weitergewährung für eine Übergangszeit nach Maßnahmeabschluss. Ermessensentscheidung
Orientierungssatz
Zur ermessensfehlerfreien Ablehnung der Weiterberücksichtigung des Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte für eine Übergangszeit nach Abschluss einer Eingliederungsmaßnahme gemäß § 21 Abs 4 S 2 SGB 2.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) II über den 11.06.2020 hinaus auf Dauer.
Die 1957 geborene Klägerin bezieht eine rumänische Verletztenrente und Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Nach ihren Angaben besteht ihr Arbeitsverhältnis bei der B. GmbH fort, sie hat jedoch seit längerem nicht mehr tatsächlich gearbeitet. Mit Bescheid vom 15.04.2019 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Hessen ihr eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Integrationsmaßnahme beim Berufsbildungswerk, die vom 11.06.2019 bis 11.06.2020 durchgeführt wurde. Mit Bescheid vom 02.01.2020 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2020 bis 31.07.2020, darin einen Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach § 21 Abs. 4 SGB II, begrenzt auf die Zeit bis 11.06.2020. Mit Bescheid vom 04.02.2020 nahm der Beklagte eine Änderung in Bezug auf die Kosten der Unterkunft und Heizung vor.
Am 12.02.2020 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie meinte, dass die Leistungen endgültig festgesetzt werden könnten und ihr der Mehrbedarf auch für Juni und Juli 2020 zu gewähren sei.
Am 22.05.2020 stellte die Klägerin Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz S 6 AS 62/20 ER bezüglich des Mehrbedarfs für Juni und Juli 2019 sowie auf Dauer. Auf Hinweis des Gerichts nahm sie diesen zurück.
Am 12.06.2020 strengte die Klägerin einen Überprüfungsantrag betreffend den Mehrbedarf für die Zeit von 11.06.2019 bis 31.07.2019 an. Mit Bescheid vom 19.06.2020 gewährte der Beklagte diesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2020 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 12.02.2020 mit der Begründung zurück, dass zutreffend eine vorläufige Entscheidung ergangen sei. Die rumänische Rente falle, abhängig von Wechselkursen und offenbar turnusmäßigen Erhöhungen, unterschiedlich hoch aus. Diese Begründung des Bescheides fehle, werde aber nunmehr nachgeholt. Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II könne über den 11.06.2020 hinaus nicht bewilligt werden. Nach § 21 Abs. 4 S. 2 SGB II könne dieser zwar auch nach dem Ende einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine Übergangszeit gewährt werden. Mit Rücksicht auf dessen Zielsetzung, behinderungsbedingte Nachteile auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen und besondere Kosten abzudecken, müsse man aber zumindest voraussetzen, dass der Leistungsberechtigte auch nach Ende der eigentlichen Teilhabemaßnahme in gewissem Umfang Aktivitäten zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt entfalte bzw. eine Arbeitsaufnahme mehr oder weniger konkret in Aussicht stehe. Weder im Widerspruchsverfahren noch im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz habe die Klägerin mit einem Mindestmaß an Aufwand verbundene Bemühungen ihrerseits nachgewiesen. Es liege allein ein „Einzeiler“ an die Personalabteilung ihres Arbeitgebers vor, der dies nicht rechtfertige. Da die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung keine weiteren Integrationsbemühungen dargelegt habe, sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Mehrbedarfs für eine Übergangszeit nach dem Maßnahmeende nicht erfüllt seien.
Am 03.09.2020 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben.
Die Klägerin teilt mit, dass sie sich bei B. um Wiedereingliederung bemühe, und legt Korrespondenz ab 03.08.2020 vor. Die Klägerin meint, nach § 33 Abs. 1 SGB IX in der bis 31.12.2012 gültigen Fassung Ansprüche gegen den Beklagten zu haben.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Bescheid des Beklagten vom 02.01.2020 in der Fassung des Bescheides vom 04.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2020 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über den 11.06.2020 hinaus dauerhaft Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seinen Entscheidungen fest und ist der Meinung, dass eine Arbeitsaufnahme oder Weiterbeschäftigung nicht hinreichend konkret in Aussicht stehe.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 09.12.2020 zu einer beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid angehört mit einer Äußerungsfrist von einem Monat. Das Schreiben ist der Klägerin nach der vorliegenden Zustellungsurkunde am 16.12.2020 und dem Beklagten nach dem vorliegenden Empfangsbekenntnis am 15.12.2020 zugegangen. Mit Schreiben vom 11.01...