Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechnung von Ausbildungsgeld und Berufsausbildungsbeihilfe als Einkommen. Berücksichtigung eines Erwerbstätigenfreibetrags bei der Einkommensanrechnung
Orientierungssatz
Sowohl ein Ausbildungsgeld als auch eine Berufsausbildungsbeihilfe stellen Einkommen dar, das auf den Bedarf eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende anzurechnen ist. Zugunsten des Hilfeempfängers sind dabei auch von diesen Einnahmen die pauschalen Freibeträge für Erwerbstätigen abzuziehen.
Tenor
1. Die Bescheide des Beklagten vom 24.10.2011, 26.11.2011 und 18.01.2012, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2012, sowie der Folgebescheid des Beklagten vom 15.02.2012 werden geändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 01.09.2011 bis 31.01.2012 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 11 b Abs. 2, Abs. 3 SGB II zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat den Klägern 2/5 ihrer Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anrechnung von Ausbildungsgeld bei dem Kläger zu 1. und von Berufsausbildungshilfe (BAB) bei dem Kläger zu 2. dem Grunde, hilfsweise der Höhe nach, auf das Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Die 1993 geborenen Kläger lebten im Streitzeitraum gemeinsam mit ihrer 1965 geborenen Mutter in einer Bedarfsgemeinschaft. Mit Bescheid vom 29.07.2011 wurden den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft (Kläger zu 1. und 2. und ihrer Mutter) Leistungen nach dem SGB II bewilligt, dabei den Klägern in Höhe von 137,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis 31.01.2012.
Wegen des Bezugs von Ausbildungsgeld nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) III ab dem 19.09.2011 änderte der Beklagte mit Bescheid vom 24.08.2011 – bezogen auf den Kläger zu 1. – seine Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.01.2012 und bewilligte ihm für diesen Zeitraum lediglich noch 50,60 Euro statt der bisherigen 137,00 Euro an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden in unveränderter Höhe gewährt.
Mit weiterem Bescheid vom 24.10.2011 änderte der Beklagte seine Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.09. bis 31.01.2012 erneut; Grund hierfür war die Anrechnung von Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III bei dem Kläger zu 2., so dass dem Kläger zu 2. vom 01.09.2011 bis 31.01.2012) nur noch 50,60 Euro an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (bei gleichbleibenden Kosten für Unterkunft und Heizung) gewährt wurden. Eine hierdurch eingetretene Überzahlung der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen nach dem SGB II wurde durch einen von dem Beklagten bei der Arbeitsagentur angemeldeten Erstattungsanspruch ausgeglichen. Mit seinem Widerspruch vom 17.11.2011 machte der Prozessbevollmächtigte der Kläger geltend, die Anrechnung der Berufsausbildungsbeihilfe bzw. des Ausbildungsgeldes bei den Klägern sei fehlerhaft. Seit dem 19.09.2011 absolvierten beide Kläger eine berufsvorbereitende Ausbildung. Die Einnahmen aus dem Ausbildungsgeld und der Berufsausbildungsbeihilfe seien als Erwerbseinkommen im Sinne des SGB II zu bewerten, was zur Folge habe, dass beiden Klägern jeweils der Grundfreibetrag von 100,00 Euro gewährt werden müsse. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, als Einkommen seien bei den Klägern zu berücksichtigen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, abzüglich der nach § 11 b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Bei dem Ausbildungsgeld, das ein Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bei beruflicher Ausbildung beziehe, handele es sich um eine Leistung der Arbeitsförderung. Es sei damit keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 a Abs. 3 SGB II, sondern Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II, welches bedarfsmindernd bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen sei (so auch Sozialgericht Stade, Urteil vom 29.07.2010, Az. S 17 AS 169/10). Ein Grundfreibetrag für die am 23.01.1993 geborenen Kläger sei nicht zu gewähren, da dieser Freibetrag nur für Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit gewährt werde. Dies seien Einnahmen, welche die leistungsberechtigte Person unter Einsatz und Verwertung ihrer Arbeitskraft aus einer Tätigkeit erziele, was bedeute, dass eine Ausbildungsvergütung bereinigt werde, aber nicht die Berufsausbildungsbeihilfe, da diese nur die Arbeitsaufnahme fördere.
Bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2012 erließ der Beklagte weitere Änderungsbescheide (Änderung aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen) vom 26.11.2011 und 18.01.2012 im Streitzeitraum. Nach Widerspruchsbescheid erging ein weiterer Bescheid vom 15.02.2012.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.01.2012 richtet sich die am...