Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Berücksichtigung eines Freibetrags für einen Grundsicherungsberechtigten, der als Übungsleiter tätig ist

 

Orientierungssatz

1. Nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB 2 ist bei erwerbstätigen Leistungsberechtigten des SGB 2 ein Freibetrag zu berücksichtigen, wenn sie Einnahmen aus einer Tätigkeit erhalten, die u. a. nach § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei sind.

2. Hierzu zählt u. a. die Tätigkeit des SGB 2-Berechtigten als Übungsleiter. Die in der Steuerrichtlinie R 3.26 zu § 3 Nr. 3 EStG beschriebenen begünstigten Tätigkeiten setzen ein Engagement i. S. des Einsatzes für andere Menschen voraus, der ehrenamtlich ausgeübt wird. Daran fehlt es, wenn die Tätigkeit wie diejenige eines selbständig Tätigen ausgeübt wird, um die eigene Existenz zu sichern.

3. An der erforderlichen Nebenberuflichkeit fehlt es auch dann, wenn die Tätigkeit trotz ihres geringen zeitlichen Umfangs als alleinige Haupttätigkeit anzusehen ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.08.2021; Aktenzeichen B 14 AS 29/20 R)

BSG (Urteil vom 21.07.2021; Aktenzeichen B 14 AS 29/20 R)

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) über die Berücksichtigung eines höheren Freibetrages für die Zeit vom 1.12.2015 bis 31.5.2016.

Der 1953 geborene Kläger ist von Beruf Sportlehrer und bezieht seit Jahren SGB II-Leistungen. Aus den Akten geht hervor, dass der Kläger bereits im August 2011 einen Honorarvertrag auf selbstständiger Basis als Übungsleiter zunächst bei der Firma C. GmbH abgeschlossen hatte mit der Vereinbarung eines Stundensatzes als Übungsleiter i.H.v. 25 €; die Anzahl der zu leistenden Stunden war darin nicht festgelegt. Im Jahr 2012 gewährte der Beklagte dem Kläger eine Weiterbildung zum „Übungsleiter Reha-Sport Bereich Orthopädie“, einem Wochenendlehrgang mit insgesamt elf Unterrichtstagen über einen Zeitraum von drei Monaten. Aus den Vermerken der Beklagten der Jahre 2012 bis 2014 geht weiter hervor, dass der Kläger laufend Versuche unternahm, neue Kunden zu akquirieren und so seine Unterrichtstätigkeit/Selbstständigkeit auszuweiten. Seine monatlichen Einnahmen bewegten sich der Höhe nach seit ca. 2013 im Bereich von mindestens 300 € aber unter 500 €.

Unter dem 2.1.2013 schloss der Kläger mit dem Verein Gesundheitssport D-Stadt e.V. einen „Freier Mitarbeiter-Vertrag als Übungsleiter/Sport“. Darin war als zeitlicher Rahmen der Tätigkeit des Klägers drei Übungseinheiten pro Woche zu einem Honorarsatz von 25 € für 60 min Übungseinheit vereinbart. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 5 ff der Gerichtsakte Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 27.10.2015 gewährte der Beklagte auf Antrag des Klägers SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.12.2015 bis 31.5.2016. Hierbei wurde "vorsorglich" ein Erwerbseinkommen in Höhe von monatlich 400 € berücksichtigt - sowie hier nicht streitbefangene - Einkünfte aus Kapitalvermögen. Insoweit erfolgte die Leistungsbewilligung vorläufig. In der Folge ergingen weitere Änderungsbescheide (vom 29.11.2015 - nicht in der Verwaltungsakte -; vom 8.12.2015, Bl. 1351 betraf Festsetzung für den Monat Dezember 2015; vom 14.12.2015, Bl. 1367 betraf die Aufrechnung eine Überzahlung für die Zeit 1.1. bis 31.5.2016; vom 11.1.2016, Bl. 1374 betraf - höhere - Festsetzung für den Monat Dezember 2015; vom 4.2.2016, Bl. 1382 betraf endgültige Festsetzung für Januar 2016; vom 3.3.2016, Bl. 1388 betraf endgültige Feststellung für Februar 2016; vom 11.4.2016, Bl. 1397 betraf endgültige Feststellung für März 2016.)

Mit dem im hiesigen Rechtsstreit angefochtenen Bescheid vom 24.5.2016 wurden die dem Kläger zustehenden SGB II-Leistungen für den Monat April 2016 auf der Grundlage der von ihm bei dem Beklagten eingereichten Gewinn- und Verlustabrechnung des Monats April endgültig festgesetzt und dem Kläger hierfür ein weiterer Betrag von 69,10 € bewilligt. Insoweit wurden die bisher ergangenen Bescheide vom 27.10.2015, 29.11.2015 und 14.12.2015 aufgehoben.

Mit weiterem Bescheid vom 30.5.2016 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.7.2015 bis 31.5.2016 monatlich 47 € mehr, da die aktuellen Abschläge für Gas und Wasser berücksichtigt werden konnten.

Mit Bescheid vom 6.6.2016 bewilligte der Beklagte auf Basis der Gewinn- und Verlustrechnung Mai 2016 für den Monat Mai 2016 einen weiteren Betrag i.H.v. 148,32 €.

Am 29.6.2016 wandte sich der Kläger an den Beklagten und bat um Überprüfung, ob für ihn im Rahmen der Gewährung von SGB II-Leistungen nicht ein Freibetrag in Höhe von monatlich 200 € gemäß § 11b Abs. 2 S. 3 SGB II (Einnahmen als Übungsleiter) berücksichtigt werden müsse, statt des bisher ihm nur gewährten Freibetrages i.H.v. 100 €.

Der Beklagte legte diesen Überprüfungsantrag als Widerspruch zu den drei vorgenannten Bescheiden (vom 24.5., 30.5. und 6.6.2016) aus.

Ergänzend teilte der Kläger ...

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