Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeld. Versäumung der Antragsfrist. keine Zurechnung des Verschuldens des Insolvenzverwalters

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitnehmer hat sich erst dann nicht (oder nicht mehr) mit der vom Gesetz geforderten Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht, wenn er Umstände kannte oder kennen musste, nach denen die von ihm beauftragten Personen nicht mehr erwartungsgemäß sorgfältig handeln werden. Dies gilt insbesondere für die Personen des Arbeitgebers oder Insolvenzverwalters. Ein Verschulden dieser Personen ist ihm zwar grundsätzlich entsprechend § 278 BGB zuzurechnen, § 324 Abs 3 S 3 SGB 3 stellt jedoch eine besondere Ausgestaltung des Verschuldensmaßstabes des § 276 Abs 1 S 1 BGB dar.

 

Tenor

1) Der Bescheid der Beklagten vom 10.11.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2004 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin antragsgemäß Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

2) Die Beklagte hat der Klägerin ihre Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld bei verspätet bei der Beklagten eingegangenem Antrag.

Die Klägerin ist geboren 1953. Mit ihrem am 25.10.2004 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Insolvenzgeld begehrte sie die Gewährung von Insolvenzgeld für Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen ihren insolvent gewordenen Arbeitgeber P. A., über dessen Unternehmen (Bekleidungsgeschäft) mit Beschluss des Amtsgerichts Korbach (Az. 10 In 28/04) vom 27.07.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Die Klägerin war zuvor als kaufmännische Angestellte sozialversicherungspflichtig tätig gewesen. Der Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit wurde mit dem 24.04.2004 angegeben. Die Klägerin machte geltend, das ihr zustehende Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 01.01.2004 - 24.04.2004 in Höhe von jeweils 649,66 Euro brutto monatlich aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers nicht mehr erhalten zu haben. Die Klägerin ist die Ehefrau des Betriebsinhabers. Die Insolvenz-Verwalterin über das Vermögen des Arbeitgebers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 22.10.2004 mit, die ausgefüllten Insolvenzgeld-Antragsformulare sämtlicher Arbeitnehmerinnen des Insolvenzbetriebes seien im Büro der Insolvenz-Verwalterin leider versehentlich falsch abgeheftet worden, so dass sie erst jetzt nach ihrem Auffinden abgegeben würden. Die Insolvenz-Verwalterin bat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 22.10.2004 unter Überreichung der Insolvenzgeld-Anträge sämtlicher Arbeitnehmerinnen, darunter den Antrag der Klägerin, mit beigefügter Insolvenzbescheinigung um die Bearbeitung der Insolvenzgeld-Anträge. Zuvor hatte die Insolvenz-Verwalterin mit Schreiben vom 17.05.2004 die Insolvenzgeld-Antragsformulare für die insgesamt 5 Angestellten des Betriebes dem insolventen Arbeitgeber zugeleitet mit der Bitte, diese Anträge von den Angestellten ausfüllen zu lassen und unterschrieben an die Insolvenz-Verwalterin zurückzusenden. Die von den Angestellten des insolventen Arbeitgebers mit den persönlichen Daten versehenen und unterschriebenen Insolvenzgeld-Anträge wurden noch im Mai bzw. Juni 2004 an den Arbeitgeber übergeben, der sie hiernach der Insolvenz-Verwalterin entsprechend ihrer Aufforderung übergab. Eine Abgabe der Insolvenzgeld-Anträge durch die Insolvenz-Verwalterin unterblieb jedoch in der Zeit von Mai bis Oktober 2004 aufgrund des Büroversehens. Mit Schreiben vom 04.11.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Ausschlussfrist von 2 Monaten von dem Tag der Insolvenzeröffnung bis zur Antragstellung überschritten sei und hörte die Klägerin dazu an, welche Bemühungen sie zur Durchsetzung ihrer Ansprüche unternommen habe. Mit Bescheid vom 10.11.2004 lehnte die Beklagte schließlich den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Insolvenzgeld mit der Begründung ab, der Insolvenzgeld-Antrag der Klägerin hätte binnen zweier Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 27.07.2004, somit spätestens bis zum 27.09.2004, bei der Beklagten eingehen müssen. Der Antrag sei jedoch erst später eingegangen. Eine Nachfrist sei der Klägerin nicht einzuräumen, da sie rechtzeitig Kenntnis vom Insolvenzereignis erlangt habe. Mit ihrem Widerspruch vom 08.11.2004 machte die Klägerin geltend, den von ihr ausgefüllten Insolvenzgeld-Antrag bereits im Mai 2004 beim insolventen Arbeitgeber abgegeben zu haben, der seinerseits das ausgefüllte Antragsformular an die Insolvenz-Verwalterin Anfang Mai 2004 bzw. Anfang Juni 2004 weitergeleitet habe, damit diese die Anträge ihrerseits an die Beklagte senden könne. Der Klägerin sei daher die Ablehnung ihres Insolvenzgeld-Antrages unverständlich, ebenso sei ihr unverständlich, warum ihr Antrag erst am 25.10.2004 bei der Beklagten eingegangen sei. Sie habe darauf vertraut, dass die Insolvenz-Verwalterin die Anträge - wie von ihr angekündigt - an die Beklagte weiterleiten werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläge...

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