Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Gewährung von Regelaltersrente. Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei Aufnahme eines Pflegekindes oder Adoptivkindes

 

Orientierungssatz

Wurde ein Kind zur Pflege oder Adoption in einem Haushalt aufgenommen, so können Zeiten der Kindererziehung als rentenrelevante Zeiten erst ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in den Haushalt und nur insoweit anerkannt werden, wie diese Zeiten insgesamt mit Blick auf das Kindesalter noch berücksichtigungsfähig sind. Dagegen kommt die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bereits ab Geburt des Kindes nicht in Betracht.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung der Regelaltersrente ab dem 01.10.2013 und die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für den Sohn C. A.

Die 1948 geborene Klägerin nahm das 1972 geborene Kind C. mit ihrem Ehemann am 28.09.1975 zur Pflege mit dem Ziel einer späteren Adoption auf.

In einem vorausgegangenen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Kassel (Az. S 2 R 122/05) gab die Beklagte ein Anerkenntnis dahingehend ab, dass die Zeit vom 28.09.1975 bis zum 16.08.1982 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung anerkannt werde. Die Klage nahm die Klägerin zurück.

Die Klägerin beantragte am 24.06.2014 Regelaltersrente.

Mit Bescheid vom 13.10.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin Regelaltersrente ab dem 01.06.2014. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 05.09.2013 erfüllt. Die Zeit vom 01.09.1973 bis zum 31.08.1974 für C. A., geboren 1972, könne nicht als Kindererziehungszeit anerkannt werden, weil sie weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 07.11.2014 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.06.2015 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass sie sich bereits Anfang August 2013 um einen Termin zur Antragstellung ihrer Regelaltersrente bemüht habe. Problematisch sei zu diesem Zeitpunkt gewesen, dass sie am 18.10.2013 operiert werden sollte. Sie habe daher telefonischen Kontakt mit der Rentenversicherung aufgenommen und die zuständige Mitarbeiterin hierüber informiert. Gleichwohl habe ihr erst am 24.10.2014 ein Termin zur Antragstellung angeboten werden können. Im Anschluss an die Operation sei eine Rehabilitationsmaßnahme erfolgt und eine Folgeoperation am 28.01.2014. Sie sei fehlerhaft beraten worden, da ihr keine alternativen Möglichkeiten zur Beantragung der Rente und auch kein Ausweichtermin aufgezeigt worden seien. Weiterhin werde auf die Broschüre der Beklagten verwiesen, wo auf Seite 5 ausgeführt werde, dass als Eingangsdatum des Rentenantrags das Datum der ersten Anfrage bei der Beklagten gelte. Die Klägerin fühle sich hinsichtlich der Kindererziehungszeiten benachteiligt und diskriminiert im Vergleich zu leiblichen Eltern. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang, dass die Anrechnung bei keinem Berechtigten in Frage komme. Die Gesetzeslage zur Adoption habe damals vorgesehen, dass es erst nach drei Jahren zu einer Adoption kommen konnte, wenn sich die leiblichen Eltern nicht kümmerten und unbekannten Aufenthalts waren. In der Zeit bis zur Adoption sei die Klägerin als "adoptionswillig" angesehen worden. Die Zeit sei nicht als "Pflegschaft" vergütet.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 13.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für das Adoptivkind C. für die Zeit ab Geburt, dem xx.xx.1972, eine höhere Regelaltersrente zu gewähren und diese Rente bereits ab dem 01.10.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Ansicht, dass eine Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für das Kind C. nicht erfolgen könne, da dieser erst am 28.09.1975 in den Haushalt der Klägerin aufgenommen worden sei. Insoweit habe in den ersten 24 Monaten nach der Geburt des Kindes keine Erziehung durch die Klägerin vorgelegen. Der Rentenantrag sei am 24.06.2014 und somit verspätet gestellt worden. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 25.09.2013 gem. § 115 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) informiert worden, dass sie eine Leistung erhalten könne, wenn sie diese beantragt. Sie sei vor den Terminen der Operationen und während der Rehabilitation nicht willens- und handlungsunfähig und daher nicht außerstande gewesen, zumindest einen formlosen Rentenantrag in schriftlicher Form zu stellen. Ein Beratungsmangel sei nicht nachgewiesen. Unterlagen, dass Anfang August 2013 eine telefonische Beratung erfolgt sei und ein Beratungstermin erst für den 24.10.2014 vereinbart worden sei, seien nicht vorhanden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen ...

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