Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Alter. Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers. örtliche Zuständigkeit bei einem Ausländer mit Wohnsitzauflage

 

Orientierungssatz

1. Für die örtliche Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers ist im Regelfall der tatsächliche Aufenthaltsort eines Hilfebedürftigen entscheidend.

2. Bei einem hilfebedürftigen Ausländer, dessen Aufenthaltserlaubnis mit einer Wohnsitzauflage verbunden wurde, ist beim Streit zwischen zwei Sozialhilfeträgern über die örtliche Zuständigkeit für die Hilfeerbringung (hier: Grundsicherung im Alter) im Zweifel derjenige Sozialhilfeträger örtlich zuständig, dessen Bezirk die Wohnsitzauflage betrifft.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 1. Oktober 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über die bisherige alleinige vorläufige Leistungsgewährung hinaus Grundsicherung im Alter rückwirkend und laufend seit 1. Oktober 2014 in gesetzlichem Umfang auch endgültig zu gewähren.

3. Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII) im Streit.

Die Klägerin ist 1939 geboren. Sie besitzt die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit und lebt seit Anfang der 90er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland. Sie besitzt aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Ihre Wohnsitznahme ist dabei jedoch nur im Landkreis A-Stadt, also im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten als örtlichem Sozialhilfeträger gestattet, wobei die Klägerin zuletzt bei ihrem Schwiegersohn in C. im Landkreis A-Stadt lebte und nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund familiärer Spannungen dann jedoch in das im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen liegende A-Stadt Frauenhaus einzog.

Ein hierauf von dort bei der Beigeladenen seitens der Klägerin am 3. September 2014 gestellter Antrag auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach § 41 SGB XII war schließlich mit Bescheid vom 16. September 2014 bestandskräftig abgelehnt worden. Dies mit der Begründung, dass für die beantragte Leistungsgewährung der beklagte Landkreis örtlich zuständig sei, worauf die Klägerin am 30. September/1. Oktober 2014 beim Beklagten einen entsprechenden Antrag stellte.

Auch der Beklagte lehnte dann jedoch diesen Antrag seinerseits mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 wiederum ab. Dies mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für eine entsprechende Leistungsgewährung durch den Beklagten nicht vorliegen würden, nachdem sich der Schwiegersohn der Klägerin bereits unter dem 1. Oktober 2007 verpflichtet habe, während des Aufenthaltes der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Lebensunterhaltes der Klägerin zu tragen und ggf. auch die Kosten ihrer Ausreise. Hiervon ausgenommen seien lediglich die Kosten der Krankenversorgung, die der Beklagte der Klägerin dann im Weiteren auch in Form von Krankenhilfe bewilligte, wobei der Beklagte dem ausweislich eines entsprechenden Aktenvermerkes vom 2. Oktober 2014 seinerzeit noch zugrunde legte, dass der Aufenthalt der Klägerin im Frauenhaus A-Stadt keinen gewöhnlichen Aufenthalt dort begründe, die Klägerin zur Wohnsitznahme im Landkreis A-Stadt verpflichtet sei und die Krankenhilfe nicht von der vorgenannten Verpflichtungserklärung umfasst werde, so dass der Beklagte für die Gewährung der Krankenhilfe zuständig sei.

Gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2014 legte die Klägerin am 13. Oktober 2014 Widerspruch ein, wobei sie sinngemäß geltend machte wurde, dass, selbst wenn ihr Grundsicherungsleistungen nicht zustünden, ihr zumindest Lebensunterhaltsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren seien. Insoweit sei nach dem Meistbegünstigungsprinzip der gestellte Antrag als Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG zu werten. Der Antrag sei zu bewilligen, da die Klägerin Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG sei. Sie habe einen anerkannten Flüchtlingsstatus nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Ausgehend vom "Status Quo" habe sie danach zumindest einen Anspruch auf diese Leistungen. Die abgegebene Verpflichtungserklärung ihres Schwiegersohnes könne dem nicht entgegengehalten werden. Nach § 8 Abs. 1 AsylbLG seien Leistungen nur dann ausgeschlossen, wenn der erforderliche Lebensunterhalt gedeckt sei. Die Klägerin sei in einem Frauenhaus untergekommen. In die bisherige Wohnung könne sie nicht mehr zurück. Sie erhalte keine Leistungen mehr von ihrem Schwiegersohn und auch sonst nicht. Daher sei ihr Lebensunterhalt nicht mehr gedeckt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 201...

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