Orientierungssatz
Aus Sicht der Kammer greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4a SGB 2 frühestens ab Stellung eines Leistungsantrages (vgl SG Halle vom 9.4.2014 - S 17 AS 4086/13 ER).
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 30.4.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 8.5.2015, 17.6.2015 und 24.7.2015 wird abgeändert, der Widerspruchsbescheid vom 23.7.2015 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin auch für den Zeitraum 1.4.2015 bis 23.4.2015 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II für die Zeit vom 1.4.2015 bis 23.4.2015.
Die 1971 auf Kuba geborene Klägerin ist Mutter von zwei 1997 und 1999 geborenen Kindern. Seit 1999 ist sie mit einem 1947 geborenen Deutschen verheiratet und mittlerweile deutsche Staatsangehörige. Ihr Ehemann bezieht Altersrente.
2013 beantragte die Familie erstmals Leistungen nach dem SGB II, die ihnen aber wegen mangelnder Hilfebedürftigkeit abgelehnt wurden. Die Klägerin erhielt in der Folge Kinderzuschlag (KIZ) von der Familienkasse. Den Weiterbewilligungsantrag lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 19.3.2015 ab und verwies auf das Jobcenter.
Am 9.4.2015 stellte der Ehemann der Klägerin im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, wobei er angab, dass sich die Klägerin derzeit in Kuba aufhalte und am 24.4.2015 zurückkehren werde.
Mit an die Klägerin adressierten Bescheid vom 30.4.2015 gewährte der Beklagte (im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung vorläufig) Leistungen nach dem SGB II für die beiden Kinder ab 1.4.2015 bis 30.9.2015. Der Klägerin bewilligte der Beklagte - ohne dies zu begründen - Leistungen für die Zeit vom 24.4.2015 bis 30.9.2015. Dabei legte der Beklagte die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.4.2015 bis 23.4.2015 auf drei Wohnungsnutzer um und ab 24.4.2015 auf vier Nutzer.
Am 8.5.2015 legte der Ehemann der Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, dass für ihn die Ablehnung des KIZ-Antrages und damit die Erforderlichkeit der Meldung beim Jobcenter nicht absehbar gewesen seien. Er halte es nicht für gerechtfertigt, dies der Klägerin zum Nachteil werden zu lassen. Im Übrigen lägen Krankmeldungen für sie für April vor, sodass sie nicht zur Vermittlung zur Verfügung gestanden habe.
Mit Änderungsbescheiden vom 8.5.2015 und 17.6.2015 justierte der Beklagte die Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung bzw. die Berücksichtigung von Wohngeld nach.
Mit Schreiben vom 25.6.2015 fragte der Beklagte an, in welchem Zeitraum und zu welchem Zweck sich die Klägerin in Kuba aufgehalten habe. Laut Aktenvermerk des Beklagten äußerte die Klägerin in einer persönlichen Vorsprache am 13.7.2015, dass sie am 31.1.2015 in Kuba eingereist und am 24.4.2015 wieder ausgereist sei. Sie habe am 28.1.2015 einen Anruf bekommen, wonach ihr Vater auf der Intensivstation sei. Daraufhin habe sie am 29.1.2015 den Hinflug für den 31.1.2015 und den Rückflug für den 24.4.2015 gebucht. Ihr Vater sei dann vor ihrer Ankunft verstorben, die Beerdigung habe am 1.2.2015 stattgefunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.7.2015 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass nach § 7 Abs. 4a SGB II Leistungsberechtigte keine Leistungen erhielten, wenn sie sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhielten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stünden. Eine vorherige Zustimmung liege nicht vor. Nur in begründeten Ausnahmefällen könne die Zustimmung auch nachträglich erteilt werden. Ein solcher liege nicht vor. Primärer Grund der Reise sei die Erkrankung des Vaters gewesen. Bei Antragstellung im April sei dieser bereits seit zwei Monaten verstorben gewesen und eine Ortsabwesenheit aus diesem Grund nicht mehr notwendig gewesen. Eine Abwesenheit von länger als sechs Wochen sei nur insgesamt ohne Leistungsgewährung möglich. Die Klägerin habe sich insgesamt zwölf Wochen in Kuba aufgehalten. Daher sei sie von Leistungen ausgeschlossen.
Aufgrund Ausbildungsbeginns des ältesten Kindes hob der Beklagte mit Bescheid vom 24.7.2015 die Leistungsbewilligung an die Klägerin und ihre Familienmitglieder ab 1.8.2015 auf.
Am 10.8.2015 ist die Klage beim Sozialgericht Kassel eingegangen.
Die Klägerin ist der Meinung, dass der Beklagte eine nachträgliche Zustimmung zu erteilen habe, weil ihre Eingliederung in Arbeit nicht gefährdet gewesen sei. Sie behauptet unter Berufung auf vorgelegte Unterlagen, dass sie vom 23.3.2015 bis 25.4.2015 in Kuba krankgeschrieben gewesen und behandelt worden sei.
Die Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 30.4.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 8.5.2015, 17.6.2015 und 24.7.2015 abzuändern, den Widerspruchsbescheid vom 23.7.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Leis...