Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem als Opernchoraushilfe tätigen Künstler

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Diese Grundsätze zur Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit sind auch bei einem Künstler anzuwenden, der als Opernchoraushilfe tätig wird.

3. Ein eigener künstlerischer Entscheidungsspielraum begründet noch keine selbständige Tätigkeit.

4. Hat der Sänger den wirtschaftlichen Interessen des Trägers des Opernchors zu dienen, ist er einem umfassenden Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung unterworfen, ist er in den Betrieb des Opernchors eingegliedert, ist seine Vergütung tarifvertraglich bestimmt und hat er keinerlei unternehmerisches Risiko zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

5. Dem widerspricht nicht das Fehlen einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und eines Anspruchs auf Urlaubsgeld.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.03.2018; Aktenzeichen B 12 KR 3/17 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Gemeinsame Vorschriften (SGB IV) ist streitig, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Opernchoraushilfe für die Beigeladene am 23. Dezember 2011 und 30. Dezember 2011 um jeweils freiberufliche selbstständige Tätigkeiten gehandelt hat, wovon der Kläger ausgeht, oder ob es sich insoweit um abhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen gehandelt hat, was die Beklagte für sich in Anspruch nimmt.

Der 1969 geborene Kläger ist Opernchorsänger, wobei sich ausweislich seines Rentenversicherungsverlaufs seit 2006 jeweils mehrwöchige, aber auch tageweise Engagements an Theatern/Opern in Erfurt, Leipzig, Chemnitz, Berlin, Hamburg, Köln, Aachen, Frankfurt, Kassel und Bayreuth finden, während derer er als Opernchorsänger sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Im Rahmen einer Einspringertätigkeit als Krankheitsaushilfe war er dann am 23. Dezember 2011 und 30. Dezember 2011 als Opernchoraushilfe jeweils für die Beigeladene in C-Stadt tätig. Auch diese Tätigkeiten waren von der Beigeladenen als insgesamt sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen mit entsprechender Beitragspflicht abgerechnet worden, wobei der Kläger sowohl für den 23. Dezember 2011 als auch den 30. Dezember 2011 ein Brutto-Entgelt von jeweils 344,00 Euro erzielt hatte. Zur Auszahlung gekommen waren dabei nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge jeweils netto 311,34 Euro. Abgeführt worden waren die Beiträge nach Aktenlage an die X. BKK als Krankenkasse des Klägers und zuständige Einzugsstelle, wobei der Kläger eigenen Angaben zufolge bei der X. BKK in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, jedoch jeweils allein während sozialversicherungspflichtiger Engagements. In Zeiträumen zwischen Engagements bzw. in Zeiten, in denen er einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nicht nachgeht, meldet er sich dort weiteren eigenen Angaben zufolge jeweils ab und ist bei der X. Krankenversicherung a.G. privat krankenversichert. Die Einspringertätigkeit als Krankheitsaushilfe im Opernchor der Beigeladenen am 23. Dezember 2011 war schließlich auf eine Anfrage der Künstlervermittlung D-Stadt vom 21. Dezember 2011 zustande gekommen, die Aushilfstätigkeit am 30. Dezember 2011 dann durch eine direkte Anfrage der Beigeladenen am Vormittag desselben Tages, wobei es sich jeweils um Einspringertätigkeiten als Choraushilfe im "Tannhäuser" handelte und der Kläger im Jahr 2011 zuvor auch bereits jeweils mehrmonatig oder zumindest mehrtägig sozialversicherungspflichtig u.a. in Leipzig, Chemnitz, Hamburg, Mannheim und Bayreuth beschäftigt war.

Mit Eingang bei der Beklagten am 23. März 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten dann nachträglich für den 23. Dezember 2011 und 30. Dezember 2011 die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status an diesen beiden Tagen, wobei er die Auffassung vertrat, dass eine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorgelegen habe. In einer Anlage zum Statusfeststellungsantrag führte der Kläger zur Beschreibung seiner Tätigkeit insoweit aus, während der Tätigkeit der Kontrolle und Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise seiner Tätigkeit nur insoweit unterlegen zu haben, als dies für eine Gemeinschaftsproduktion wie die Aufführung einer Oper erforderlich sei, was bedeute, dass er Regieanweis...

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