Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall bei einem ausländischen Saisonarbeiter. Arbeitsunfall bei Unfalleintritt vor Abschluss des Arbeitsvertrags
Orientierungssatz
Trat ein Unfallereignis bei einem ausländischen Saisonarbeiter auf dem Gelände eines Unternehmens im Bundesgebiet (hier: Landwirtschaftsbetrieb) ein, bevor es zum Abschluss eines (kurzzeitigen) Arbeitsvertrages kam, so kommen die Bestimmungen des deutschen Rechts zur gesetzlichen Unfallversicherung jedenfalls dann nicht zur Anwendung, wenn der Betroffene im Herkunftsland eine selbständige Tätigkeit ausübte. Damit scheidet auch die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall und in diesem Sinne als Versicherungsfall in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung aus.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Vorfalls am 30.08.2010 als von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Nach der amtlichen Auskunft der Kasa Roniczego Ubezpieczenia Spolecznego (Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung - KRUS) vom 08.04.2015 war der Kläger in Polen als Landwirt vom 03.02.1998 bis 02.05.2004, vom 21.06.2004 bis 16.05.2005 und vom 16.07.2005 bis 04.12.2012 landwirtschaftlich sozialversichert. Seit dem 05.12.2012 unterliegt der Kläger nicht mehr der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, weil er einen Anspruch auf Rentenleistung aus der Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung KRUS erworben hat.
Der Kläger sollte im Zeitraum 01.09.2010 bis 31.10.2010 eine saisonale Tätigkeit beim Beigeladenen wahrnehmen. Am 30.08.2010 traf er auf dem Hofgelände des Beigeladenen ein in der Absicht, eine Saisonarbeit bei der Obsternte ab dem 31.08.2010 oder früher für einen Zeitraum von 2 Monaten aufzunehmen. Der Kläger stürzte am 30.08.2010 abends auf dem Gelände des Beigeladenen von einer Treppe und verletzte sich dort. Zur Arbeitsaufnahme kam es nicht mehr, weil die damals noch erforderliche Arbeitsgenehmigung infolge des Unfalls beim Arbeitsamt nicht mehr eingeholt werden konnte. Die damals ebenfalls noch erforderliche Einstellungszusage hatte der Beigeladene bereits etwa 6 bis 8 Wochen zuvor beim zuständigen Arbeitsamt eingereicht.
Mit Bescheid vom 10.12.2014 lehnte die Beklagte die Feststellung des Versicherungsfalls ab. Entschädigungsleistungen aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen. Nach Art. 11 Abs. 3 a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unterliege eine Person, die in einem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübe, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaates. Aufgrund des fehlenden Arbeitsverhältnisses zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger auch dem Grunde nach nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterlegen. Das Arbeitsverhältnis habe erst zum 01.09.2010 beginnen sollen. Somit habe das Arbeitsverhältnis als Saisonarbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen. Darüber hinaus sei das Unfallereignis nicht während einer dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienlichen Tätigkeit eingetreten. Folglich habe der Kläger aufgrund der selbständigen Tätigkeit in Polen zum Unfallzeitpunkt allein den polnischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterlegen.
Dagegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.12.2014 am 18.12.2014 Widerspruch ein. Nach Rücksprache mit der Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, welche unter dem 08.04.2015 mitteilte, der Kläger habe als Landwirt weiterhin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung unterlegen, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2015 zurück.
Dagegen hat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 18.08.2015 am selben Tag Klage erhoben.
Er vertritt die Auffassung, der Unfall stehe im Zusammenhang mit der Beschäftigung. Der Vorfall habe sich in den frühen Morgenstunden vom 30.08.2010 geeignet, als er sich habe für die Arbeit vorbereiten und den Lagerraum aufsuchen wollen. Er sei auch mit dem Beigeladenen ein abhängiges und sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen. Vor dem Hintergrund, dass er bereits auf dem Weg gewesen sei, um seine Arbeit in Deutschland aufzunehmen, sei der Rückgriff auf die von der Beklagten in Bezug genommen EG-Verordnung nicht zutreffend. Der Kläger könne nicht in Deutschland als Arbeitnehmer tätig sein und gleichzeitig eine selbständige Tätigkeit als Landwirt in Polen ausüben. Faktisch habe er seit längerer Zeit keine Tätigkeit als Landwirt mehr ausgeübt. Gerade deshalb sei er befristeten Arbeitsverhältnissen in Deutschland nachgegangen, um eine Einkunftsquelle zu haben. In Polen beziehe er keine Einkünfte aus selbständiger landwirtschaftlicher Tätigkeit, so dass davon auszugehen sei, dass er einer abhängigen Beschäftigung in Deutschland nachgegangen sei. Er habe sich bereits auf der deutschen Betriebsstätte...