Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Bemessung der fiktiven Terminsgebühr. Verfahrensgebühr. keine Minderung wegen Fehlens der mündlichen Verhandlung

 

Orientierungssatz

Die Bemessung der fiktiven Terminsgebühr richtet sich nach der Bemessung der Verfahrensgebühr. Das Fehlen der mündlichen Verhandlung führt nicht zu einer Minderung der Terminsgebühr. Maßstab ist vielmehr die Regelung in den Verfahren, die nach dem Streitwert zu bemessen sind.

 

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Kiel in dem Verfahren S 11 SB 134/07 vom 17.03.2008 wird geändert. Die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 466,48 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer hatte am 19.06.2007 in dem Rechtsstreit -- ./. -- beim Sozialgericht Kiel wegen der Höhe des Grades der Behinderung Klage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 12.07.2007 wurde Prozesskostenhilfe bewilligt. Das Verfahren endete mit einem angenommenem Anerkenntnis.

Mit Antrag vom 12.03.2008 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung wie folgt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV-RVG (Mittelgebühr)

170,-- €

Terminsgebühr (fiktive) Nr. 3106 VV-RVG (Mittelgebühr)

200,-- €

Postpauschale, Nr. 7002 VV-RVG

20,-- €

Dokumentenpauschale (4 Kopien), Nr. 7000 VV-RVG

2,-- €

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG

74,48 €

Summe 

466,48 €

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle kürzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.03.2008 die fiktive Terminsgebühr auf die Hälfte der Mittelgebühr auf 100,-- €. Den zu erstattenden Betrag setzte sie - nach entsprechender Reduzierung der Umsatzsteuer - insgesamt auf 347,48 € fest.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 18.04.2008 Erinnerung eingelegt.

Der Erinnerungsgegner hält die Festsetzung für zutreffend.

II.

Die Erinnerung ist zulässig. Nach § 55 Abs. 1 RVG wird die aus der Staatskasse zu gewährende anwaltliche Vergütung vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt. Nach §§ 56 RVG, 197 Abs. 2 SGG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden.

Die Erinnerung ist auch begründet.

Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem RVG (§1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie im vorliegenden Fall - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Nach dieser Anlage sind die Gebühren wie folgt festgesetzt:

Nr.     

Gebührentatbestand

Gebühr

3102   

Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten,  in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) .

40,00 bis 460,00 €

3103   

Es eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden   Verwaltungsverfahren vorausgegangen:         

Die Gebühr 3102 beträgt………………………………………….

Bei der Bemessung der Gebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist.    

20,00 bis 320,00 €

3106   

Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) ……………………

Die Gebühr entsteht auch, wenn            

1.in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung     vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird,2.nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder 3.das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne  mündliche Verhandlung endet.

20,00 bis 380,00 €

Bei Rahmengebühren bestimmt entsprechend § 14 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden.

Aus den Worten “vor allem„ ist zu entnehmen, dass insbesondere die im Gesetz aufgezählten Kriterien für die Bemessung der Gebühr heranzuziehen sind. Das sind

1.

Umfang der anwaltlichen Tätigkeit,

2.

Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,

3.

Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber,

4.

Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.

Ausgangspunkt für die Bemessung der Gebühr ist der Durchschnittsfall, der die Mittelgebühr rechtfertigt. Erst wenn die Kriterien des Durchschnittsfalls bekannt sind, kann entschieden werden, ob im konkreten Fall ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben oder unten angezeigt ist. Das gilt sowohl für die Verfahrens- als auch...

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