Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. morbiditätsbedingte Gesamtvergütung. arzt- und praxisbezogenes Regelleistungsvolumen. angemessene Bewertung psychotherapeutischer Leistungen in der seit 1.1.2009 geltenden Honorarverteilungssystematik

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Bewertungsausschuss war nicht gehalten, die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen vor dem 01.01.2012 - insbesondere nicht im Jahr 2011 - anzupassen.

2. Die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen nach der für das Jahr 2011 anzuwendenden Honorarverteilungssystematik erweist sich als angemessen und rechtmäßig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.10.2017; Aktenzeichen B 6 KA 8/16 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine höhere Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in den Quartalen I bis IV/2011.

Die Klägerin ist Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin und führt ihre Praxis in X. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheiden vom 21.12.2010, 28.02.2011, 30.05.2011 und 31.08.2011 mit, welche Kapazitätsgrenzen ihr jeweils für die Quartale I bis IV/2011 zugewiesen werden (31.567 Minuten). Diese schöpfte die Klägerin in den Quartalen I bis IV/2011 nicht aus. Aus der nachfolgenden tabellarischen Übersicht ist ersichtlich, mit welchen Honorarbescheiden der Klägerin in welcher Höhe jeweils für die Quartale I bis IV/2011 seitens der Beklagten Honorar zugesprochen wurde und mit Schreiben von welchem Tag sie Widerspruch einlegte.

Quartal

I/2011

II/2011

III/2011

IV/2011

Honorarbescheid vom

14.07.2011

13.10.2011

14.01.2012

14.04.2012

Höhe Honoraranspruch (EUR)

18.260,47

17.391,48

19.201,20

15.897,76

Widerspruch vom

06.08.2011

05.11.2011

08.02.2012

04.05.2012

Die Widersprüche gegen die Honorarabrechnungen begründete die Klägerin jeweils damit, die Vergütung sei nicht angemessen und verstoße gegen das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit. Der Widerspruch erstrecke sich auf die Frage der rechtskonformen Umsetzung durch die KV. Die Honorierung der genehmigungspflichtigen Leistungen sei nicht entsprechend der gestiegenen Gewinne (2007 und 2008) der Fachärzte in der Vergleichsgruppe angepasst worden, wobei ohnehin nur eine maximale Auslastung von Psychotherapeuten mit einem durchschnittlichen Einkommen der Facharztgruppe verglichen worden sei.

Die Widersprüche betreffend die Quartale I bis IV/2011 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2012 zurück. Sie nahm Bezug auf ihre Widerspruchsbegründung im Widerspruchsbescheid vom 12.08.2011 betreffend die Quartale I bis IV/2010. In diesem stellte sie die Honorarverteilungssystematik ab 01.01.2009 dar. Der Vorstand vertrete im Übrigen die Auffassung, dass die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen angemessen sei.

Mit der am 18.12.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Die Klägerin trägt zur Begründung im Klageverfahren vor, dass die Vergütung der Psychotherapeuten zu gering bemessen sei. Bereits die Festlegung des Bewertungsausschusses in seinem Beschluss vom 31.08.2011 für das Jahr 2008 sei fehlerhaft. Im Rahmen der Entwicklung von 2000 bis 2008 sei es zu einer viel höheren Kostensteigerung gekommen als von 40.634,00 EUR auf 42.974,00 EUR. Unter Berücksichtigung der drei Kriterien des BSG in seiner Entscheidung vom Mai 2008 sei die Entscheidung des BSG nicht hinreichend umgesetzt worden. Nach ihren Berechnungen sei der Gesamtkostenindex gemäß Angaben des Statistischen Bundesamtes im gesamten Zeitraum 2000 bis 2007 um 12,5 % gestiegen. Die erhöhten Personalkosten für Arzthelferinnen von mindestens 3 % gegenüber dem Jahr 2000 würden sich auf den Kostenansatz der optimal ausgelasteten Psychotherapiepraxis als eine Erhöhung von mindestens 442,00 EUR auswirken. Daraus lasse sich rein rechnerisch ein Anpassungsbedarf auf ca. 46.155,00 EUR ableiten ((40.634 EUR mal 1,125 Gesamtkostenindex) plus 442,00 EUR). Da der Betriebskostenansatz mit 42.974,00 EUR schon bei erster Abschätzung nicht korrekt angepasst worden sei, sei Beweis zu erheben über die ausgewerteten Daten des Bewertungsausschusses. Nur anhand der gerichtlichen Prüfung der Datengrundlagen würden sich Fehlerquellen erkennen und bereinigen lassen. Heranzuziehen sei die Prime networks Kostenstrukturanalyse. Nur diese Erhebung sei hinreichend repräsentativ.

Die Klägerin ermittelte den aus ihrer Sicht maßgeblichen Betriebskostenansatz auch mittels der Entwicklung der Punktzahlbewertung. Bei dem erhöhten Praxiskostenansatz vom EBM 2000 plus zum EBM 2008 für die Einzelsitzung von 1495 auf 1755 Punkte würden 130 Punkte auf den erhöhten Praxiskostenansatz entfallen. Bei Anwendung der bis 2008 gültigen BWA-Formel ergebe sich für den Anhebungsbetrag der Praxiskosten der optimal ausgelasteten Psychotherapiepraxis - bei einem bundesdurchschnittlichen Mindestpunktwertbetrag ab II/2008 von ca. 4,3 Cent - folgende Berechnung: 130 x 1548 (Sitzungen pro Jahr) x 4,3 Cent gleic...

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