Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Pflicht zur Mitteilung einer Diagnose. morbiditätsbedingte Gesamtvergütung. arzt- und praxisbezogenes Regelleistungsvolumen. angemessene Bewertung psychotherapeutischer Leistungen in der seit 1.1.2009 geltenden Honorarverteilungssystematik

 

Orientierungssatz

1. Die Pflicht zur Mitteilung einer Diagnose ergibt sich aus § 295 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 5 und trifft auch Psychologische Psychotherapeuten.

2. Die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen nach der für das Jahr 2012 anzuwendenden Honorarverteilungssystematik ist nicht rechtswidrig.

3. Der Bewertungsausschuss war nicht gehalten, die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen vor dem 1.1.2012 anzupassen (vgl SG Kiel vom 9.2.2016 - S 2 KA 341/12).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Honorarabrechnung für das Quartal II/2012.

Der Kläger ist Diplom-Psychologe und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er praktiziert in L. Dem Kläger wurde mit Mitteilung vom 29.02.2012 eine Kapazitätsgrenze in Höhe von 31.206 Minuten mitgeteilt.

Den Honoraranspruch des Klägers für das Quartal II/2012 beschied die Beklagte mit Honorarbescheid vom 13.10.2012. Es wurden alle erbrachten psychotherapeutischen Leistungen vergütet, da der Kläger die Kapazitätsgrenze nicht überschritten hat. Aus der Anlage UA sachlich rechnerische Korrekturen ist ersichtlich, dass für fünf Patienten die Scheine zurückgestellt wurden. Davon betroffen sind Leistungen gemäß der GOP 23211, 35150 und 80031 für die Patienten ..., ..., ..., ... und ... Grund für die Zurückstellung sei dass die Diagnose UUU nicht zulässig sei.

Mit Schreiben vom 7.11.2012 legte der Kläger Widerspruch ein. Dieser richtet sich einerseits gegen die vorgenommenen Korrekturen und andererseits wegen unzureichender Vergütung für psychotherapeutische Leistungen. Zusammengefasst bemängelt der Kläger, die Vergütung entspreche nicht der Rechtsprechung des BSG. Bei der Bemessung der Vergütung werde nicht berücksichtigt, dass ein Psychologischer Psychotherapeut gar nicht die Kapazitäten hätte, Vollzeit zu arbeiten, da die Tätigkeit zu belastend sei. Der Bewertungsausschuss überschreite das ihm eingeräumte Ermessen.

Mit Schreiben vom 20.11.2012 erläuterte die Beklagte, die zurückgestellten Behandlungsscheine seien ohne Angabe einer ICD-10-Diagnose eingereicht worden. Auch für probatorische Sitzungen seien Diagnosen aufzuführen. Hingewiesen werde auch auf § 7 Punkt 3 Satz 2 der Honorarabrechnungsordnung (HAO). Danach müssen die Behandlungsausweise oder die Abrechnungsdatenträger die zur Begründung der Honorarforderung erforderlichen Angaben (wie z, B. Diagnosen, Art der Untersuchung bei bestimmten Laborleistungen) enthalten. Eine nachträgliche Änderung durch die Beklagte sei ausgeschlossen. Zu der Codierung werde noch darauf hingewiesen, dass alle Diagnose, zu denen beraten oder behandelt wurde, auch in der Dokumentation erfasst werden sollten.

Der Kläger entgegnete mit Schreiben vom 05.12.2012 und 13.02.2013, die Sammlung intimster Daten gesetzlich Versicherter im Sinne einer Vorratsdatenspeicherung verstoße gegen die Grund- und Menschenrechte der Versicherten. Die Weitergabe psychiatrischer Diagnosen an die KVen seien nicht ausdrücklich in der Psychotherapievereinbarung vereinbart worden. Durch die Regelungen seien die Psychotherapeuten - einzigartig in der gKV - verpflichtet, vor der eventuellen Aufnahme einer Therapie die Krankheitswertigkeit einer psychischen Befindlichkeitsstörung zu prüfen. Wenn eine psychische Erkrankung nicht festgestellt werden könne, erfolge selbstverständlicher und logischer Weise auch keine Diagnose. Gleichwohl seien Leistungen, die zu dem Ergebnis führten, dass keine Erkrankung vorliegt, von ihnen zu vergüten. Die HAO ziele allein auf ärztliche Behandlungen ab und ignoriere vollständig übergeordnete Vertragswerke, Gesetzeswerke, Grund- und Menschenrechte. Hilfsweise möge die Beklagte doch die Diagnose “F99„ vergeben. Auch wenn diese nicht passe, sei sie von allen denkbaren Diagnosen die am wenigstens unzutreffende.

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 12.12.2012 mit, eine nachträgliche Korrektur sei nicht möglich. Der Kläger könne die genannten Behandlungsfälle als Nachzügler mit der nächsten Abrechnung einreichen, wenn sie ICD-verschlüsselt seien.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.6.2013 zurück. Die Beklagte stellte die anzuwendende Honorarverteilungssystematik dar. Bezüglich der ICD-Verschlüsselung verwies sie auf den geführten Schriftwechsel.

Mit der am 26.07.2013 beim Sozialgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er begehrt die Vergütung für probatorische Sitzungen auch ohne Angabe einer ICD-10-verschlüsselten Diagnose. Diese Forderung sei ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen, unabhängig von § 295 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V. Für Patienten, bei denen in probatorischen Sit...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge