Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. keine Nachvergütungspflicht für bestandskräftige Honorarabrechnungen bzgl budgetärer/extrabudgetärer Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM (juris: EBM-Ä 2008) nach dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 22.9.2015
Orientierungssatz
1. Für die Quartale I/2012 bis I/2013 ergibt sich keine Nachvergütungspflicht für Leistungen des Kapitels 35.2 EBM für bestandskräftig festgestellte Honoraransprüche einer Kassenärztlichen Vereinigung, wenn die Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet wurden.
2. Aus der Honorarvereinbarung zwischen einer Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen für die Quartale II/2013 bis I/2015 ergibt sich keine Verpflichtung der Krankenkassen, eine Nachvergütung der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 44 Abs 2 SGB 10 für extrabudgetär vergütete Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM zu finanzieren.
3. Az beim LSG: L 4 KA 11/19.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für die Quartale I/2012 bis I/2015.
Der Kläger (Psychologischer Psychotherapeut) stellte am 11. Januar 2016 den Antrag auf Korrektur bzw. Nachvergütung für alle gültigen Honorarbescheide ab 1. Januar 2012. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom September 2015 sei auch für ihn anzuwenden.
Mit Bescheid vom 7. April 2016 wies die Beklagte (Kassenärztliche Vereinigung) den Antrag zurück. Für die Quartale I/2012 bis I/2015 seien keine Widersprüche eingelegt worden, so dass die Honorarbescheide bestandskräftig seien. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu Entscheidungen der KV nach § 44 Abs. 2 SGB X könne keine Neubescheidung mit Nachvergütung erfolgen. Die Honoraranteile für diese Quartale seien verbraucht. Die Krankenkassen hätten eine Nachschusspflicht verneint.
Dagegen legte der Kläger am 18. April 2016 Widerspruch ein. Es sei nicht einsehbar, warum nur die klagenden Kollegen höhere Leistungen erhalten, die übrigen jedoch nicht. Er verwies auf die Vorbehaltsklauseln in den Honorarbescheiden.
Den Widerspruch wies die Beklagte am 1. Juni 2016 zurück. Sie wiederholte ihre Ausführungen und betonte, die finanziellen Auswirkungen einer Nachvergütung auf die aktuell zu vergütenden Vertragsärzte in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt zu haben.
Dagegen richtet sich die am 1. Juli 2016 eingegangene Klage. Die Beklagte habe ermessensfehlerhaft entschieden. Eine rückwirkende Änderung des EBM sei nicht sinnvoll, wenn die Betroffenen nicht von ihr profitierten. Eine Ermessensreduktion sei auch dadurch eingetreten, dass deren Mitglieder darauf vertrauen dürften, die ihnen zustehende Vergütung zu erhalten. Ferner sei die Beklagte verpflichtet gewesen, zu diesem Zweck Rückstellungen zu bilden. Das sei offensichtlich unterblieben, obwohl die Diskussionen bekannt gewesen seien. Aufgrund der Rückwirkung liege ein atypischer Fall vor, der sich zugunsten des Klägers hätte auswirken müssen. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 07. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Honorarabrechnungen des Klägers für den Zeitraum erstes Quartal 2012 bis erstes Quartal 2015 unter Berücksichtigung bereits geleisteter Honoraranteile für diesen Zeitraum neu zu bescheiden und weitere Honoraranteile an den Kläger auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.
Der Kammer lagen die Verwaltungsvorgänge vor. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Entscheidung der Beklagten vom 7. April 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2016 ist rechtmäßig.
Die Beklagte hat die Korrektur der Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale I/2012 bis I/2015 auf der Grundlage von § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X zu Recht abgelehnt.
Nach § 44 Abs. 2 S. 1 SGB X ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, im Übrigen - d. h. wenn es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X handelt - ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann nach Satz 2 auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Da Honoraransprüche der Vertragsärzte keine Sozialleistungen im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X sind (siehe nur BSG Urteil vom 18.03.1998, B 6 KA 16/97 R), kommt § 44 Abs. 2 SGB X zur Anwendung. Die Honorarbescheide für die Quartale I/2012 bis I/2015 sind nach der rückwirkenden EBM-Änderung rechtswidrig im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB X. Da der Kläger die Korrektur für die Vergangenheit begehrt, steht die Korrektur nach Satz 2 im Ermessen der Beklagten. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, die Entscheid...