Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilung. Nachvergütung für bestandskräftig festgestellte Honoraransprüche aufgrund nachträglicher Höherbewertung des EBM (hier: Änderung der Bewertung psychotherapeutischer Leistungen ab 1.1.2012). keine Verpflichtung zur Übernahme durch Krankenkassen
Orientierungssatz
Krankenkassen haben gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) keine Verpflichtung zur Übernahme von Nachvergütungen, die die KÄV nach § 44 Abs 2 SGB 10 für bestandskräftig festgestellte Honoraransprüche aufgrund einer nachträglichen Höherbewertung des EBM (juris: EBM-Ä 2008) leistet (hier: aufgrund des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 43. Sitzung vom 22.9.2015 zur rückwirkenden Änderung der Bewertung psychotherapeutischer Leistungen ab 1.1.2012).
Tenor
1. Die Klaganträge werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist eine höhere Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für die Quartale I/2013 bis I/2014.
Gegen die Honorarbescheide für diese Quartale legten die Kläger (Psychologische Psychotherapeuten) seinerzeit fristgerecht Widerspruch ein mit der Begründung, die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen sei rechtswidrig. Über die Widersprüche wurde im Juni und Juli 2015 abschlägig beschieden. Die Widerspruchsbescheide wurden bestandskräftig.
Der Erweiterte Bewertungsausschuss beschloss im September 2015 rückwirkend eine Änderung der Bewertung psychotherapeutischer Leistungen ab 1. Januar 2012 (Höherbewertung der GOP 35200 bis 35225, Zuschläge nach GOP 35251 bis 35253 für Betriebskosten). Im April 2016 berechnete die Beklagte von Amts wegen eine Nachvergütung für die Quartale I/2014 bis I/2015 in Höhe von 10.290,38 EUR.
Am 21. April 2016 stellten die Kläger bei der Beklagten (Kassenärztliche Vereinigung) einen Antrag auf Überprüfung der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale I/2013 bis I/2014 nach § 44 Abs. 2 SGB X mit dem Begehren, den Beschluss des Bewertungsausschusses für die Vergütung ab Januar 2013 zu berücksichtigen. Den Antrag lehnte die Beklagte am 7. September 2016nach Beschlussfassung im Vorstand ab. Dagegen legten die Kläger am 29. September 2016 Widerspruch ein. Die Finanzierung der Nachvergütung müsse nicht aus der laufenden Gesamtvergütung erfolgen. Nach Teil B II 23 der Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2013 würden die Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM sowie probatorische Sitzungen (GOP 35150 EBM) von den Krankenkassen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet werden. Wenn die Krankenkassen diese Leistungen außerhalb der MGV vergüten würden, gelte dieses auch für eine nachträglich höhere Bewertung von Leistungen im EBM und die Aufnahme von Zuschlagspositionen in den EBM. Folglich müsse die Beklagte nicht auf die aktuelle Gesamtvergütung zurückgreifen. Die Beklagte habe vorrangig die finanziellen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Das Ermessen im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB X werde daher nur dann fehlerfrei ausgeübt, wenn es im Interesse der Mitglieder der KVSH ausgeübt werde und die Leistungen nachvergütet würden. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2017 zurück. Sie sei - bestätigt durch die Rechtsprechung - nach § 44 Abs. 2 lediglich befugt, aber nicht verpflichtet, bestandskräftige Honorarabrechnungen aufzuheben. Sie wäre aus Gleichbehandlungsgründen gehalten, alle anderen bestandskräftigen Honorarabrechnungen aufzuheben und Nachvergütungen vorzunehmen. Das würde nicht nur einen hohen Aufwand bedeuten, sondern auch zu Eingriffen in die aktuelle Vergütung führen. Eine Aufhebung müsse nur in Betracht gezogen werden, wenn dies aus Billigkeitsgründen zwingend notwendig sei, da als Kassenärztliche Vereinigung Einfluss auf die Einlegung von Widersprüchen ausgeübt worden sei. Aus den beantragten Zeiträumen seien keine Honoraranteile mehr verfügbar, so dass für die Nachvergütungen auf die Honoraransprüche u.a. der derzeitigen Vertragsärzte zurückgegriffen werden müsse, was insbesondere den neuen Mitgliedern nicht zumutbar sei. Der Vorstand habe die finanziellen Auswirkungen der Entscheidung auf die Gesamtheit der KVSH-Mitglieder berücksichtigt sowie die rückwirkend installierte Finanzierungspflicht durch die Krankenkassen. Die Empfehlung des Erweiterten Bewertungsausschusses, die probatorischen Sitzungen Sitzungen sowie die antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen der betreffenden Fachgruppen ab dem Jahr 2013 außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu vergüten, sei in Schleswig-Holstein erst ab 1. April 2013 übernommen worden, so dass das Quartal I/2013 aus der mGV finanziert wurde. Sie habe sich mit einer nachträglichen Vergütung befasst, jedoch hätten die Krankenkassen weder Bereitschaft gezeigt, noch eine Verpflichtung gesehen, für bestandskräftige Honorarabrechnungen entsprechende Zahlungen zu...