Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsberechtigung von Sozialhilfebeziehern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das befristete Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung steht auch denjenigen ehemaligen Beziehern von laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz zu, die ab 1.1.2005 Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB 12 erhalten.

2. Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte noch Sinn und Zweck der Norm gestatten eine Auslegung des § 9 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB 5 dahin, dass die Möglichkeit des Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung nur den ehemaligen Sozialhilfebeziehern eröffnet ist, deren Leistungsbezug sich nicht auf der neuen Rechtsgrundlage des SGB 12 fortsetzt.

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 21.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin ab 01.01.2005 als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V geworden ist.

Die im Jahre 1927 geborene Klägerin besuchte bis 1941 eine Hilfsschule in T. Anschließend wurde sie im April 1941 von ihren Eltern im Kloster der Schwestern vom G H in T untergebracht. Dort lebte sie bis 1968 als "Haustochter", weil sie wegen einer geistigen Behinderung ständiger Betreuung bedurfte. Im August 1968 übersiedelte die Klägerin in eine Einrichtung der Schwestern vom G H in A (Kreis T-S). Aufgrund ihrer Minderbegabung war sie nie erwerbstätig. Sie half lediglich beim Kartoffelschälen oder Wäschefalten. Seit dem 28.11.2000 befindet sich die Klägerin in dem ordenseigenen Altenheim Haus M, W.

Seit dem 05.05.2004 steht die Klägerin unter Betreuung für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vermögenssorge sowie Post- und Fernmeldeverkehr.

Die Klägerin war zu keinem Zeitpunkt privat oder gesetzlich krankenversichert. Sie bezog in der Vergangenheit laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Im Jahre 2004 übernahm die Beklagte gemäß § 264 SGB V die Krankenbehandlung der Klägerin gegen Kostenerstattung durch den zuständigen Sozialhilfeträger. Seit 01.01.2005 bezieht die Klägerin von der Stadt T Leistungen nach dem SGB XII zur Deckung der offenen Heimkosten sowie in Form eines Barbetrages zur persönlichen Verfügung.

Den am 30.12.2004 bei der Beklagten eingegangenen Antrag der Klägerin auf Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2005 ab, weil ein Beitrittsrecht nicht bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2005 wurde der hiergegen eingelegte Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. In Übereinstimmung mit der Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen gelte die Beitrittsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V nur für den bewusst eng begrenzten Personenkreis ehemaliger Sozialhilfeempfänger, deren Leistungsbezug geendet habe. Im Falle der Klägerin bestehe dieser jedoch auf einer anderen Rechtsgrundlage fort. Wenn sich lediglich die Rechtsgrundlage des Leistungsbezuges geändert habe, sei ein Beitrittsrecht für die Klägerin nicht eröffnet.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 07.03.2005 bei dem Sozialgericht Koblenz eingegangenen Klage, mit der sie ihr Anliegen weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab 01.01.2005 als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse aufzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen sowie wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Durch die Beitrittserklärung vom 30.12.2004 ist die Klägerin ab 01.01.2005 freiwilliges Mitglied der Beklagten.

Rechtsgrundlage für den Beitritt ist § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V, der durch Artikel 5 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I S 2954) mit Wirkung ab 01.01.2005 in das SGB V eingefügt wurde. Danach können der Versicherung innerhalb von 6 Monaten ab dem 01.01.2005 Personen beitreten, die in der Vergangenheit laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz bezogen haben und davor zu keinem Zeitpunkt gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind vorliegend erfüllt.

Die Klägerin hat ihren Beitritt als freiwilliges Mitglied zur Beklagten zum ...

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