Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaft = Einkommen. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Erbschaft. Zuflussprinzip
Leitsatz (amtlich)
1. Geldbetrag aus einer Erbschaft stellt Einkommen dar.
2. Nicht der Zeitpunkt des Erbfalles, sondern Zeitpunkt der Auszahlung des Geldbetrages ist für die Beurteilung relevant.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Bezug von laufenden Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) eine Erbschaft als Einkommen oder als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Die 1975 geborene Klägerin bildet zusammen mit drei Töchtern eine Bedarfsgemeinschaft und dieser waren zuletzt mit Bescheid vom 07.12.2007 bzw. Änderungsbescheiden vom 19.12.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.06.2008 bewilligt worden.
Aufgrund des im Juni 2008 gestellten Weitergewährungsantrags waren der Klägerin und den mit ihr in der Bedarfsgemeinschaft zusammen lebenden Töchtern mit Bescheid vom 18.06.2008 weiter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.12.2008 bewilligt worden.
Mit Bescheid vom 02.07.2008 war eine Änderung bezüglich der Leistungshöhe für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.12.2008 vorgenommen worden.
Nachdem die Beklagte im Juni 2008 erfahren hatte, dass der Klägerin aus einer Erbschaft ein Betrag in Höhe von 7.282,83 € zugeflossen sein soll, forderte sie bei der Klägerin einen entsprechenden Nachweis an.
Die Klägerin legte Anwaltsschreiben vor. Danach war der Klägerin unter Abzug von Rechtsanwaltsgebühren aus der Erbschaft ein Betrag in Höhe von 6.538,61 € im Juni 2008 per Verrechnungsscheck gezahlt worden.
Mit Bescheid vom 11.08.2008 teilte die Beklagte der Klägerin sodann eine Änderung der zu gewährenden Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2008 bis 31.12.2008 mit. Die Beklagte verwies auf die Neuberechnung aufgrund der Auszahlung des Erbanteils und darauf, dass das Erbe als Einkommen auf bis zu 12 Monate aufgeteilt werde. Ein monatlicher anrechenbarer Betrag in Höhe von 544,89 € wurde mitgeteilt.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, eine während des Bezugs von Alg II zugeflossene Erbschaft stelle kein anrechenbares Einkommen dar, vielmehr handele es sich um Vermögen.
Mit Bescheid vom 04.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, durch die Übergabe des Verrechnungsschecks sei der Klägerin eine Erbschaft in Höhe von 6.538,61 € circa am 19.06.2008 zugeflossen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin bereits seit längerer Zeit Leistungen nach dem SGB II bezogen, so dass nach der genannten Zuflusstheorie die Erbschaft als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II anzusehen ist. Die angefallene Erbschaftssumme sei als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von 12 Monaten aufzuteilen und als monatliches Einkommen zu berücksichtigen. Bei der Einnahme von insgesamt 6.538,61 € bedeute dies ein monatliches Einkommen von 544,89 €. Da der Zufluss der Erbschaft eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X darstelle, habe die ursprüngliche Bewilligung vom 18.06.2008 aufgehoben werden dürfen.
Am 14.11.2008 ist die Klage bei Gericht eingegangen.
Die Klägerin macht geltend, im Juni 2008 habe sie aus einer Erbschaft nach ihrer Großmutter einen Betrag von 6.538,61 € erhalten. Die Großmutter sei am 01.10.2003 verstorben. Durch ein Schreiben des Amtsgerichts B vom 29.10.2007 habe sie hiervon erstmals Kenntnis erhalten. Nach der Erbauseinandersetzung habe sie mit Schreiben eines Rechtsanwalts vom 18.06.2008 Kenntnis von der Erbauseinandersetzung und dem ihr zustehenden Betrag erhalten. Bei der Erbschaft handele es sich um Vermögen im Sinne von § 12 SGB II. Bei der vorliegenden Fallgestaltung sei zu beachten, dass die Erbschaft ihr bereits zu einem Zeitpunkt zugeflossen ist, als sie von der Beklagten noch keine Leistungen erhalten habe. Der Erbfall sei nämlich am 01.10.2003 eingetreten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 11.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf verschiedene obergerichtliche Urteile und verbleibt im Übrigen bei ihrem Standpunkt, es sei auf den Zeitpunkt des Zuflusses abzustellen und dies führe bei einer Auszahlung der Erbschaft während des Leistungsbezugs zu einer Berücksichtigung als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II. Aufgrund des Zuflussprinzips könne im Rahmen des SGB II eine Erbschaft erst mit dem tatsächlichen Zufluss Berücksichtigung finden, da sonst, gerade in Fällen von Erbstreitigkeiten, die Betroffenen ohne Sozialleistungen wären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte sowie den der Verwaltungsakte. Er war Gegenstand der mün...