Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderkündigungsrecht des Krankenkassenmitglieds bei Beitragserhöhung - Fusion zweier Krankenkassen
Orientierungssatz
Nach § 175 Abs. 4 S. 3 SGB 5 hat die Krankenkasse dem Mitglied spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Nach § 175 Abs. 4 S. 1 SGB 5 kann die Mitgliedschaft abweichend von der Regelwartezeit von 18 Monaten gekündigt werden, wenn eine Krankenkasse ihren Beitragssatz erhöht. Dieser Anspruch besteht auch bei Fusion zweier Krankenkassen, wenn diese zu einer Beitragssatzerhöhung geführt hat. Durch die Fusion zweier Krankenkassen sollen keine Rechte des Versicherten verloren gehen. Dieser soll durch die Fusion nicht schlechter gestellt werden als vorher.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin unverzüglich eine Kündigungsbestätigung gern. § 175 Abs. 4 S. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zum 30.06.2004 auszustellen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Ausstellung einer Kündigungsbestätigung.
Die Antragstellerin war seit 01.03.2003 Mitglied in der Taunus BKK Diese fusionierte am 01.04.2004 mit der BKK Braunschweig. aus dieser Fusion ging die Antragsgegnerin hervor. Der allgemeine Beitragssatz betrug vor der Fusion bei der BKK Taunus 12,8 % und bei der BKK Braunschweig 15,2 %. Der Beitragssatz bei der Antragsgegnerin beträgt seit dem 01.04.2004 13,8 %.
Die Antragstellerin kündigte aufgrund des höheren Beitragssatzes mit Schreiben vom 08.04.2004 die Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin zum 30.06.2004. Diese wies mit Bescheid vom 15.04.2004 die Kündigung mit der Begründung zurück, durch die Fusion der Taunus BKK mit der BKK Braunschweig sei eine neue Krankenkasse entstanden und ein neuer Beitragssatz sei festgelegt worden. Ein Sonderkündigungsrecht ergebe sich deshalb nicht. Die Antragstellerin legte dagegen Widerspruch ein, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2004 zurückwies. Die Antragstellerin hat am 14.06.2004 Klage erhoben und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie macht geltend, sie habe ein Sonderkündigungsrecht. Die Weigerung der Antragsgegnerin, ihre Kündigung zu akzeptieren und unverzüglich eine Bestätigung nach § 175 Abs. 4 S. 3 SGB V auszustellen, sei rechtswidrig. Die Antragsgegnerin berücksichtige nicht, dass das Sonderkündigungsrecht bei Beitragserhöhungen eingeführt worden sei, um den Wettbewerb der verschiedenen Krankenkassen zu erleichtern. Ob eine Beitragserhöhung vorliege oder nicht, müsse daher aus Sicht der Kassenmitglieder bestimmt werden. Danach komme es allein auf den Beitragssatz an. Ob mit der Änderung des Beitragssatzes gleichzeitig auch eine Fusion abgewickelt werde, könne keine Rolle spielen, zumal Mitglieder von Krankenkassen auf derartige Vorgänge keinerlei Einfluss hätten. Die von der Antragsgegnerin vertretene formale Sichtweise gebe ihr die Möglichkeit, den vom Gesetzgeber erwünschten Wettbewerb zu unterlaufen und zu verzerren, indem sie zunächst mit einem sehr günstigen Beitragssatz auf Kosten anderer Kassen um neue Mitglieder werbe und den Verlust dieser neuen Mitglieder bei einer wegen steigender Ausgaben nötigen Beitragserhöhung verhindere, indem sie sich zum passenden Zeitpunkt mit einer kleinen Kasse zusammenschließe. Ein Anordnungsgrund für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung liege vor, da der Antragstellerin ein Abwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar sei. Diese werde nach Lage der Dinge mehr Zeit in Anspruch nehmen, als die Antragstellerin auch nach Auffassung der Antragsgegnerin noch an die Mitgliedschaft bei ihr gebunden sei.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, der Antragstellerin unverzüglich eine Kündigungs-bestätigung zum 30.06.2004 auszustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, es liege kein Anordnungsanspruch vor. Die Antragstellerin habe kein Sonderkündigungsrecht. Mit der Fusion der Taunus BKK und der BKK Braunschweig seien die bisherigen Krankenkassen geschlossen worden. Eine Erhöhung der bisherigen Beitragssätze sei deshalb nicht mehr möglich. Für die neu entstandene Taunus BKK sei originär und erstmalig ein Beitragssatz festgesetzt worden. Der Gesetzgeber habe absichtlich kein Sonderkündigungsrecht von Versicherten bei einer Fusion vorgesehen. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Gesetzestext. Ein Sonderkündigungsrecht sei zunächst überhaupt nicht vorgesehen gewesen; erst die Beratungen im Gesundheitsausschuss hätten zu einem solchen geführt. Die Fusion von Krankenkassen seien politisch erwünscht; sie führten zu einer Mischkalkulation der Beitragssätze. Wirtschaftlich arbeitende Kassen würden an der Fusion gehindert ...