Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Beweissicherung gemäß § 76 Abs. 1 SGG - Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens im Wege der Beweissicherung gemäß § 76 Abs. 1 SGG erfordert u. a. ein begründetes berechtigtes Interesse an der begehrten Beweissicherung.
2. Dieses setzt ein dringendes Bedürfnis für die Einholung des begehrten Gutachtens voraus. Ist es dem Antragsteller zumutbar, den Ausgang des laufenden Widerspruchsverfahrens und in der Folge auch eines Klageverfahrens mit ggf. entsprechender Beweiserhebung abzuwarten, so ist der nach § 76 Abs. 1 SGG gestellte Antrag zurückzuweisen.
Tenor
Der Antrag auf Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der Beweissicherung gemäß § 76 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens.
Der Antragsteller, geboren 2005, ist bei der Antragsgegnerin über seinen Vater im Rahmen der Familienversicherung krankenversichert. Er hat seit dem 01.07.2023 in dem Bereich „Zahnärztliche Leistungen“ die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuches (SGB V) gewählt.
Unter dem 31.05.2023 reichte er der Antragsgegnerin einen privatärztlichen kieferorthopädischen Behandlungsplan des Zahnarztes Dr. M. B. vom 23.05.2023 ein. Daraufhin veranlasste die Antragsgegnerin eine Begutachtung durch den von der örtlich zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) bestellten Gutachter Dr. R. der in dem Gutachten vom 12.07.2023 zu dem Ergebnis kam, dass eine Kopfbissbeziehung von 22 zu 33 bestehe. Dies löse kein M4 aus, siehe Messvorschrift in „unterer Schneidezahn“. Es bestehe des Weiteren ein Kopfbiss K2 von 23 zu 34. Ein vertraglicher Leistungsanspruch könne nicht festgestellt werden. Folgerichtig könne auch kein Zuschuss gemäß § 13 Abs. 2 SGB V festgesetzt werden. Bei den vorliegenden Gegebenheiten könne die Behandlung nur auf privater Basis erfolgen.
Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18.07.2023 eine Kostenbeteiligung an der geplanten kieferorthopädischer Behandlung ab. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Mit dem am 05.09.2023 erhobenen Antrag begehrt der Antragsteller die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, welcher zahnmedizinische kieferorthopädische Befund bei dem Antragsteller derzeit vorliege. Es drohe durch Zeitablauf das Beweismittel des Augenscheins verlorenzugehen. Der Antragsteller habe die kieferorthopädische Behandlung bereits aufnehmen müssen. Er könne nicht darauf vertröstet werden, dass er zunächst in einem Klageverfahren die Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen abwarten müsse. Denn für die Behandlung bestehe jetzt eine Indikation und die Erfolgsaussichten seien umso besser, je frühzeitiger eine solche kieferorthopädische Behandlung bei einem 18-jährigen vorgenommen werde.
Der Antragsteller beantragt,
im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens ein Sachverständigengutachten einzuholen zur Beantwortung der Frage:
„Welcher zahnmedizinische und kieferorthopädische Befund liegt im Hinblick auf dessen Zahnstellung beim Antragsteller derzeit vor?“
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin verweist auf das eingeholte Gutachten von Dr. R.. Danach werde der Mindestgrad an Behandlungsbedürftigkeit für das Auslösen eines Anspruchs auf eine KFO-Behandlung bei dem Antragsteller nicht erreicht. Im Übrigen sei der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin.
II.
Gemäß § 76 Abs. 1 SGG kann auf Gesuch eines Beteiligten die Einnahme des Augenscheins und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zur Sicherung des Beweises angeordnet werden, wenn zu besorgen ist, dass das Beweismittel verlorengehe oder seine Benutzung erschwert werde, oder wenn der gegenwärtige Zustand einer Person oder einer Sache festgestellt werden soll und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Vorliegend kommt allein die Anwendung des § 76 Abs. 1 letzte Alternative in Betracht, wonach auf Gesuch eines Beteiligten die Vernehmung eines Sachverständigen zur Sicherung des Beweises angeordnet wird, wenn der gegenwärtige Zustand einer Person festgestellt werden soll und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Diese Voraussetzungen für die Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens liegen nicht vor. Der Antragsteller hat kein berechtigtes Interesse an der begehrten Beweiserhebung. Dass die Einholung eines Gutachtens erforderlich wäre, weil die Zahnstellung des Antragstell...