Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion einer bei der Krankenkasse beantragten Leistung bei nicht rechtzeitiger Bescheidung des Leistungsantrags

 

Orientierungssatz

1. Überschreitet die Krankenkasse bei der Bescheidung eines vom Versicherten gestellten Leistungsantrags ohne rechtswirksame Mitteilung eines Verzögerungsgrundes die Frist nach § 13 Abs. 3a S. 1 SGB 5 und beschafft sich der Versicherte nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst, so ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

2. Kann die Krankenkasse die gesetzlich vorgesehene Fünfwochenfrist nicht einhalten, so hat sie dies dem Versicherten innerhalb der Frist mitzuteilen und den Grund für die Nichteinhaltung zu benennen.

3. Anderenfalls folgt hieraus die Genehmigung der vom Versicherten beantragten Leistung. § 13 Abs. 3a S. 6 und 7 SGB 5 gewähren mittels der Genehmigungsfiktion sowohl einen Sachleistungs- als auch einen Kostenerstattungsanspruch.

4. Die Krankenkasse ist unter Ausschluss aller Einwendungen zur Leistung verpflichtet. Die Erforderlichkeit der Leistung folgt allein aus der Rechtswirkung der Genehmigungsfiktion.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine stationäre laparoskopische Sleeve-Resektion-Operation als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte trägt die der Klägerin entstandenen außergerichtliche Kosten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine stationäre laparoskopische Sleeve-Resektion-Operation (Schlauchmagenoperation).

Die Klägerin ist am 00.00.1972 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Unter dem 28.11.2013 beantragte der behandelnde Dr. M. bei der Beklagten für die Klägerin die Gewährung einer laparoskopischen Sleeve-Resektion-Operation. Unter dem 20.01.2014 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus:

“[…] zur Prüfung der beantragten Leistung benötigt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) den beigefügten Selbstauskunftbogen von Ihnen ausgefüllt und unterschrieben zurück sowie ein 7-tägiges Ernährungsprotokoll.

Des Weiteren bitten wir die beigefügte Anfrage an Ihren behandelnden Arzt weiterzuleiten. Auch diese benötigt der MDK zur Beurteilung Ihres Antrages. Bitte senden Sie uns bzw. dem MDK diese Unterlagen kurzfristig zu. […]„

Die Klägerin machte die Angaben unter dem 06.02.2014. Unter dem 11.02.2014 bat der MDK die Beklagte um weitere Unterlagen sowie um zeitnahe Übermittlung des Verzögerungsgrundes an den Versicherten. Unter dem 27.02.2014 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus:

“[…] um über ihren Antrag auf Kostenübernahme einer bariatrischen Operation entscheiden zu können, haben wir die Unterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vorgelegt. Der MDK benötigt zur Beurteilung noch folgende Unterlagen: Den Nachweis einer mind. 6-monatigen Ernährungsberatung (mit genauen Daten, Angabe von Schulungsinhalten und Stellungnahme, warum keine Reduktion erreicht wurde und eine Bescheinigung über die Teilnahme an den Treffen einer Adipositas-Selbsthilfegruppe. Eine Entscheidung kann erst nach Vorlage aller Unterlagen getroffen werden. […]„

Die Klägerin reichte weitere Unterlagen ein. Unter dem 13.05.2014 forderte die Beklagte weitere Unterlagen an; die Klägerin machte weitere Angaben. Unter dem 21.07.2014 führte Dr. T. vom MDK gutachterlich aus, es sei vorliegend auf Ernährungsberatung und Sport zu verweisen. Mit Bescheid vom 04.08.2014 lehnte die Beklagte dem folgend den Antrag der Klägerin ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Email vom 27.08.2014 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2014 als unbegründet zurückwies. Ausweislich des Widerspruchsbescheides der Beklagten ist der Antrag der Klägerin vom 28.11.2013 bei der Beklagten am 23.12.2013 eingegangen.

Die Klägerin hat am 01.10.2014 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine stationäre laparoskopische Sleeve-Resektion-Operation als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie Beklagte bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen sowie der eingeholten Stellungnahmen. Ergänzend trägt sie vor: Die begehrte Behandlung sei medizinisch nicht notwendig. Anspruch auf Kostenerstattung bestehe auch nach Ablauf der Fünf-Wochen-Frist nur, wenn sich der Versicherte nach Ablauf der Frist die Leistung selbst beschaffte. Dies sei bislang nicht geschehen. § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V sei im Kontext mit § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zu lesen und diene der Vorbereitung des darin eingeräumten Kostenerstattungsanspruchs. Es könne nicht angenommen werden, dass § 13 Abs. 3a Satz 6 und Satz 7 SGB V einen unterschiedlichen Regelungsgehalt...

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