Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Meldeobliegenheit des Vertragsarztes ab dem 1.1.2021. Vorliegen der technischen Möglichkeiten oder tatsächliche Durchführung der Meldung nicht von Relevanz. keine abweichende Regelung durch Vereinbarung auf Ebene der Verbände
Orientierungssatz
1. Die Versicherten trifft seit dem 1.1.2021 keine Obliegenheit zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit mehr.
2. Es kommt nicht darauf an, ob die Meldung technisch erfolgen kann oder tatsächlich durchgeführt wird.
3. Die Gesetzeslage, nach der ab dem 1.1.2021 die Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Einrichtungen zu übermitteln sind, besitzt zwingenden Charakter. Sie kann nicht durch Vereinbarungen auf Ebene der Verbände abweichend geregelt werden. Beim Inkrafttreten der Regelung zur Datenübermittlung am 1.1.2021 handelte sich um einen "Stichtag".
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2021 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 12.05.2021 bis zum 21.07.2021 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 12.05.2021 bis zum 21.07.2021.
Der Kläger ist bei der Beklagten freiwillig gesetzlich krankenversichert. Seit dem 31.03.2021 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 11.05.2021 erhielt der Kläger Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.
Am 28.06.2021 übersandte der Kläger an die Beklagte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den streitigen Zeitraum. In den Bescheinigungen wurde die Arbeitsunfähigkeit vom 11.05.2021 bis zum 21.07.2021 lückenlos attestiert.
Mit Bescheid vom 29.07.2021 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 12.05.2021 bis zum 21.07.2021 ab. Eine Zahlung könne nicht erfolgen, denn die Arbeitsunfähigkeit sei erst am 26.07.2021 telefonisch bei der Beklagten gemeldet worden. Wegen der Spätmeldung ruhe der Anspruch.
Hiergegen legte der Kläger am 30.08.2021 den Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er auf § 295 SGB V. Danach seien Vertragsärzte seit dem 01.01.2021 verpflichtet, die festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkassen zu übermitteln. Die Obliegenheit der Meldung der Arbeitsunfähigkeit werde damit auf die Ärzte übertragen. Würde eine Übermittlung durch die Ärzte nicht erfolgen, so liege dies außerhalb des Einflussbereichs des Klägers. Aus der verspäteten Meldung könnten sich für ihn keine Rechtsfolgen ergeben.
Die Beklagte stellte eine Anfrage an die behandelnde Arztpraxis, ob eine Teilnahme am eAU (elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) Verfahren erfolgt sei. Die Praxis führte aus, dass eine Teilnahme am eAU Verfahren nicht erfolgt sei. Man habe dem Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Weiterleitung an die Krankenkasse ausgehändigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Bescheinigungen für den streitigen Zeitraum hätten die Beklagte erst verspätet erreicht. Der Anspruch ruhe deshalb. Die Folgen der verspäteten Meldung seien vom Versicherten zu tragen. Der Kläger sei auch ausreichend über die Folgen einer verspäteten Meldung informiert gewesen. Im Hinblick auf die Einführung des eAU Verfahrens hätten die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV Spitzenverband mit dem 01.01.2022 ein späteres Einführungsdatum vereinbart.
Hiergegen erhob der Kläger am 17.11.2021 die Klage vor dem Sozialgericht Köln.
Der Kläger trägt vor, dass er keine Kenntnis davon gehabt habe, dass die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht im elektronischen Verfahren erfolge. Die behandelnden Ärzte hätten ihn darauf nicht hingewiesen. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe nicht, wenn die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im elektronischen Verfahren erfolge. Die Obliegenheit zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit sei auf die Ärzte übertragen worden. Eine Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und dem GKV Spitzenverband könne für die Versicherten keine Wirkung haben. Der Kläger habe davon ausgehen können, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom Arzt an die Beklagte übermittelt werden würden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2021 zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 12.05.2021 bis zum 21.07.2021 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass im streitigen Zeitraum das eAU Verfahren noch nicht umgesetzt worden sei. Die Verantwortung zu Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe beim Kläger gelegen.
Zur weiteren ...