Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Bemessung der Geschäftsgebühr im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren. Bestimmung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit als Bemessungskriterium
Orientierungssatz
1. Bei der Bemessung einer Geschäftsgebühr als Rechtsanwaltsvergütung im Sozialrechtsstreit über einen Sanktionsbescheid bestimmt sich der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als Bemessungskriterium nicht nach dem tatsächlichen und ggfs. nicht gebotenen Aufwand des betroffenen Rechtsanwalts, sondern auf den objektiv erforderlichen Arbeits- und Zeitaufwand.
2. Einzelfall zur Bemessung der Höhe einer Geschäftsgebühr als Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren gegen einen Sanktionsbescheid im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier: Angemessenheit der Schwellengebühr bejaht).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind die Kosten eines Widerspruchsverfahrens der Höhe nach umstritten.
Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt tätig und bezieht vom beklagten Jobcenter bereits seit längerem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Hierbei kam es bereits in der Vergangenheit zu sanktionsbedingten Minderungen der Leistungen. Mit Bescheid vom 07.01.2014 verfügte der Beklagte erneut eine sanktionsbedingte Minderung des Arbeitslosengeldes (ALG) II. Er stellte einen vollständigen Wegfall des ALG II für die Zeit vom 01.02.2014-30.04.2014 fest, der Kläger sei wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen (vorangegangene Pflichtverletzung am 10.11.2013), er habe entgegen seinen Verpflichtungen aus dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.07.2013 keine Bemühungen zur Aufnahme einer Arbeit in Form von mindestens vier Bewerbungsbemühungen pro Monat nachgewiesen. Der Kläger widersprach unter Darlegung seiner Rechtsauffassung auf insgesamt 29 Seiten, unter anderem machte er geltend, die Sanktionsregelungen seien verfassungswidrig, sie verstießen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachteten das Grundrecht auf Gewährleistung des Existenzminimums, verstießen gegen das Folterverbot, missachteten die Persönlichkeitsentfaltung als Zweck der Menschenwürde, schränkten die Berufsfreiheit ein und führten zu Arbeitszwang. Infolge des Widerspruchs hob der Beklagte den Sanktionsbescheid vom 07.01.2014 mit Bescheid vom 27.03.2015 auf und verpflichtete sich zur Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren dem Grunde nach, was auch für die Kosten eines Bevollmächtigten gelte. Daraufhin beantragte der Kläger beim Beklagten am 21.07.2016 die vom Beklagten zu erstattenden Kosten auf insgesamt 660 EUR festzusetzen, im Einzelnen machte er folgende Gebühren geltend: - Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG 640 EUR und - Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV RVG 20 EUR. Für die Geltendmachung der Höchstgebühr genüge es, wenn ein vom Rechtsanwalt ausgewähltes Kriterium den Ansatz der Höchstgebühr rechtfertige. Die anwaltliche Tätigkeit sei umfangreich und schwierig gewesen, zum Umfang der durchgeführten Tätigkeit gehöre auch die im Kostenfestsetzungsverfahren, ebenso die Sichtung des umfangreichen Streitstoffs und die umfangreiche Auswertung, Heranziehung und Anführung der für die Erstellung des Widerspruchsschriftsatzes verarbeiteten Rechtsprechung und Literatur. Hinsichtlich der Schwierigkeit sei die Komplexität der Sachverhaltsaufklärung sowie das kompliziert geregelte Spezialrecht (SGB II) zu würdigen. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit sei der Verlust der sozialen Existenz, der Gedanke der Sicherung des Lebensunterhalts, die wirtschaftliche Bedeutung und die gesellschaftliche Stellung in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich des Kriteriums der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei die Erwägung, dass ein Anwalt, der sich selbst vertrete, unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse als Auftraggeber oder ein Haftungsrisiko als Anwalt gegen sich selbst berücksichtigen soll, abwegig. Außerdem sei dieses Kriterium generell im Rahmen von SGB II-Verfahren kein gleichrangiges Beurteilungskriterium. Ferner könne die Bestimmung durch den Rechtsanwalt ausschließlich auf Ermessensfehler nachgeprüft werden, für die vom Rechtsanwalt vorgenommene Betragsbestimmung gelte ferner eine "Nichtbeanstandungsgrenze" von 20 %. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 03.08.2016 setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 320 EUR fest. Der Kläger könne nur eine Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr von 300 EUR beanspruchen. Eine höhere Gebühr könne nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen ist. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien hier als durchschnittlich einzustufen, nachdem sich das Widerspruchsschreiben gegen einen Sanktionsbescheid i.V.m. einem Eingliederungsverwaltungsakt gerichtet habe.
Der Kläger widersprach und verwies darauf, dass die...