Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung der Rentner. Empfänger von Versorgungsbezügen. Beitragshöhe. allgemeiner Beitragssatz. Neuregelung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2003, 2190) zum 1.1.2004 eingeführte Änderung des § 248 SGB 5 hinsichtlich der Höhe des Beitragssatzes bzgl der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge bei Versicherungspflichtigen aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen verstößt nicht gegen das GG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.05.2006; Aktenzeichen B 12 KR 3/05 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Beiträge.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 04.11.2003; BGBl I Seite 2304) ist unter anderem auch die Beitragsregel des § 248 Buch V des Sozialgesetzbuches - SGB V - mit Wirkung am 01.01.2004 geändert (Art. 1 Nr. 148 a GMG). Sie beschreibt den Beitragssatz aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen. Diese durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) mit Wirkung am 01.01.1989 eingeführte Vorschrift, die ihrerseits weitgehend die zuvor gültige Regelung des § 385 Abs. 2 a der Reichsversicherungsordnung übernommen hatte, ist zwar bis zum GMG mehrfach geändert worden, nicht aber in ihrem Absatz 1 Satz 1. Danach galt bei Versicherungspflichtigen "für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen die Hälfte des ... allgemeinen Beitragssatzes ihrer Krankenkasse ...". Diese Begrenzung auf die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes ist mit der Neufassung des § 248 SGB V entfallen. Flankierend ist § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V geändert: als Versorgungsbezüge gelten nicht mehr nur Leistungen, die an Stelle regelmäßig wiederkehrender Leistungen treten, sondern auch solche, wenn sie vor Eintritt des Versicherungsfalles zugesagt oder vereinbart sind (Art.1 Nr. 142 GMG). Schließlich ist § 240 Abs. 3 a SGB V aufgehoben, der älteren freiwillig Versicherten bezüglich der Beitragspflicht aus Einnahmen für die Beitragsbemessung von Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen den halben Beitragssatz beließ (Art. 1 Nr. 144 b GMG).

Die Klägerin - Jahrgang 1946 - bezieht seit dem 01.07.2003 Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung, am 01.10.2003 in Höhe von 523,55 EURO monatlich. Daneben erhält sie ab dem selben Zeitpunkt von der Deutschen Post Versorgungsbezüge, ab Dezember 2003 in Höhe von 304,58 EURO monatlich. Sie ist bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert. Für diese Versicherung führte die Zahlstelle den auf die Versorgungsbezüge entfallenden KVdR-Beitrag ab 01.01.2004 in Höhe von 43,55 EURO an die Beklagte ab, gegenüber 21,02 EURO für den Monat Dezember 2003. Den gegen die Beitragsänderung gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2004 zurück; sie sah sich durch die gesetzliche Neuregelung gebunden.

Die Klägerin hat noch im selben Monat Klage erhoben und reichte eine "Rechtsgutachtliche Stellungnahme für den Sozialverband Deutschland (SoVD) zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des GKV-Modernisierungsgesetzes über die Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen" zu den Akten. Dieses Gutachten hatte Prof. Dr. F H von der Universität S erstattet. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die eingangs benannten Vorschriften mit der Verfassung unvereinbar seien, insbesondere die Änderung des § 248 SGB V das persönliche Freiheitsrecht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletze sowie gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 verstoße und schließlich mit rechtsstaatlichem Vertrauensschutzgründen im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar sei.

Die Klägerin macht sich dieses Gutachten zu eigen und meint ergänzend, die gesetzliche Neuregelung in § 248 SGB V i.V.m. § 250 SGB V verletze sie auch in ihrem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrecht; die Neuregelung belaste sie mit einem Zwangsbeitrag, der den Beitrag über jedes Maß ansteigen lasse.

Sie beantragt schriftlich,

1.

den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4.5.2004 aufzuheben,

2.

die Beklagte zu verurteilen, für Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen die bisherige Regelung gem. § 248 SGB V a.F. zugrunde zu legen und nicht den vollen Beitragssatz i.H.v. 14,3%.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, angesichts des gesetzlichen Wortlautes habe sie keine andere Entscheidung treffen können; dies gelte auch in Kenntnis der umfangreichen Klagebegründung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte die Kammer im Einvernehmen mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige, insbesondere form- und frist...

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