Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Entschädigungszahlungen wegen Verletzung des Benachteiligungsverbots gem § 15 Abs 2 AGG iVm § 81 Abs 2 SGB 9 als Entschädigung eines Nichtvermögensschadens iS des § 11 Abs 3 Nr 2 SGB 2 aF
Orientierungssatz
Durch arbeitsgerichtliche Vergleiche erzielte Entschädigungszahlungen gem § 15 Abs 2 AGG wegen Benachteiligung eines schwerbehinderten Menschen im Bewerbungsverfahren und Verletzung seines Persönlichkeitsrechts sind Entschädigungen iS des § 11 Abs 3 Nr 2 SGB 2 aF, die von der Einkommensberücksichtigung gem § 11 Abs 1 SGB 2 ausgenommen sind.
Nachgehend
Tenor
Die Bescheide vom 08.03.2010 und 17.03.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2010 sowie der Bescheid vom 02.06.2010 und die Bescheide vom 18.02.2010 und 27.05.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2010 werden abgeändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 01.12.2009 bis 30.06.2010 monatlich 581,13 Euro an Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Kläger für die Zeit vom 01.12.2009 bis zum 30.06.2010. Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte bei der Berechnung seines Bedarfs Zahlungen aus vor verschiedenen Arbeitsgerichten geschlossenen Vergleichen betreffend Entschädigungszahlungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Einkommen berücksichtigt hat.
Der 1955 geborene Kläger ist gelernter Bibliothekar. Er ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 60 vom Hundert. Bis Mitte 2008 lebte es in einem eigenen Haushalt und bezog zunächst Leistungen nach dem SGB II von der Arbeitsgemeinschaft M.
2008 zog der Kläger zu seiner Mutter nach W. und beantragte am 08.07.2008 bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II.
Diesem Antrag entsprach die Beklagte zunächst wegen der als defizitär angesehener Mitwirkung des Klägers bei der Beibringung von Unterlagen nicht. Widerspruch und Klage (Az.: S 17 AS 113/09) blieben zunächst erfolglos. Das Berufungsverfahren (Az.: L 19 AS 1321/1 9) endete am 09.05.2011 mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem die Beklagte einen Leistungsanspruch des Klägers für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis zum 29.06.2009 in Höhe von 1,00 Euro monatlich (zuschussweise und unter Abführung der gesetzlichen Abgaben zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung) anerkannte.
Mit Bescheiden vom 10.07.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger zunächst Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 11,70 Euro für den Monat Juni 2009 und von 359,00 Euro für die Monate Juli bis Dezember 2009. Mit Bescheid vom 01.09.2009 änderte die Beklagte die Bewilligung für den Monat Juni 2009 auf 19,10 Euro und die Monate Juli bis Dezember 2009 auf 581,13 Euro ab. Dabei berücksichtigte sie jeweils die Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige in Höhe von 359,00 Euro sowie anerkannte monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 222,13 Euro. In der Folgezeit erhielt die Beklagte ab November 2009 Kenntnis von verschiedenen arbeitsgerichtlichen Verfahren des Klägers und aus diesen Verfahren resultierenden Zahlungen an ihn. Hintergrund der Streitigkeiten war jeweils, dass die Bewerbungen des als Bibliothekar ausgebildeten und in der Vergangenheit als Bibliothekar tätigen Klägers bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften abgelehnt worden waren ohne dabei seinen Status als Schwerbehinderten hinreichend zu berücksichtigen. Der Kläger machte beim Arbeitsgericht jeweils im Wege der Klage entgangenen Verdienst sowie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. In den meisten Fällen nahm der Kläger - mehrfach auf Anraten des Arbeitsgerichts - seine auf den Ausgleich von Verdienstausfall gerichteten Klagen zurück und schloss vor Gericht Vergleiche zu "Entschädigungen gemäß § 15 Abs. 2 AGG". Die hieraus resultierenden Zahlungen wurden dem Konto des Klägers jeweils mit geringem Zeitverzug gutgeschrieben.
Im Einzelnen:
In dem Rechtsstreit 2 Ca 2521/09, Arbeitsgericht Bonn, erzielte der Kläger per Vergleich vom 30.10.2009 eine Entschädigungszahlung in Höhe von 3.708,00 Euro, die am 02.12.2009 auf seinem Konto gutgeschrieben wurde.
In dem Verfahren 6 Ca 540/09, Arbeitsgericht Karlsruhe, erzielte der Kläger per Vergleich vom 25.11.2009 eine Entschädigung in Höhe von 1.300,00 Euro, die seinem Konto am 21.12.2009 gutgeschrieben wurde.
In dem Rechtsstreit 10 Ca 217/09, Arbeitsgericht Freiburg, erhielt der Kläger aus einem Vergleich vom 12.01 .2010 1.800,00 Euro, die auf seinem Konto am 03.03.2010 verbucht wurden.
Das Verfahren 15 Ca 7409/09, Arbeitsgericht Köln, endete mit einem am 08.03.2010 abgeschlossenen Vergleich. Die hierin vereinbarte Entschädigungszahlung von 2.900,00 Euro wurde dem Konto des Kl...