Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Fettabsaugung nach Genehmigungsfiktion wegen nicht fristgerechter Bescheidung des Leistungsantrags des Versicherten
Orientierungssatz
1. Bei grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung nach einem Leistungsantrag des Versicherten gilt der Antrag durch die Krankenkasse nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB 6 als genehmigt. Beschafft sich der Versicherte nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst, so ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.
2. Der Antrag muss eine Leistung betreffen, die der Versicherte für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Hierzu gehört u. a. die Liposuktion (Fettabsaugung).
3. Der Krankenkasse ist es verwehrt, über den Umweg des § 45 SGB 10 eine im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB 5 bewusst ausgeklammerte materielle Prüfung des Sachleistungsanspruchs in den Rechtstreit einzuführen. Eine Aufhebung nach § 45 Abs. 1 SGB 10 ist ausgeschlossen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 03.11.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 04.12.2015, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2016, werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin für in der Zeit vom 25.01.2016 bis 26.01.2016, vom 25.02.2016 bis 26.02.2016 und vom 24.03.2016 bis 26.03.2016 selbstbeschaffte Liposuktionsbehandlungen der Beine und Arme entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 15.960,05 Euro zu erstatten.
2. Die Beklagte trägt die die Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten selbstbeschaffter Liposuktion.
Die am 00.00.1990 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 08.09.2015 und am 11.09.2015 informierte sich die Klägerin bei der Beklagten telefonisch über die Möglichkeiten der Kostenübernahme einer Liposuktionsbehandlung. Mit Schreiben vom 01.10.2015 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine lymphologische Liposculptur der Arme und Beine. Zur Begründung führte sie aus, sie leide unter sehr schmerzhaften Lipödemen. Die Klägerin nahm Bezug auf ein Schreiben des sie behandelnden Dr. D2 (Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten) vom 22.09.2015. Zur Begründung führte dieser im Wesentlichen aus: Die Klägerin leide seit Jahren an einem Lipödem, welches symmetrisch an den Beinen und Armen ausgeprägt sei. Die Verformungen seien durch Ernährung nicht positiv zu beeinflussen, diätisch nicht korrigierbar und das Fettgewebe könne durch sportliche Aktivitäten nicht verringert werden. Die Ursache der Schmerzen des Lipödems fänden sich in der dynamischen Insuffizienz der lymphatischen Drainage an den Armen und Beinen bei erhöhter Lymphproduktion. Dieser Zustand führe zu einer mangelnden Ausgeglichenheit zwischen Abfluss und Zufluss und damit zu einem chronischen Versagen des Lymphtransports. Die Hochvolumen-Transportinsuffizienz der Lymphgefäße und die Möglichkeit zur Fibrosierung der Haut mit Ausbildung eines Lipo-Lymphödems und einer Liposklerose sei Ausdruck eines chronischen, therapieresistenten Endzustandes, der nach 15 bis 20 Jahren trotz konservativer Entstauungstherapie auftreten könne. Eine manuelle Lymphdrainage könne zur Schmerzlosigkeit führen, die angestrebte Reduktion des Unterhautfettgewebes zur Vermeidung der Entstehung des Lipo-Lymphödems sei auch mit Kompression nicht möglich. Bei der Klägerin sei eine Schmerzlosigkeit durch eine komplexe Entstauungstherapie nie erreicht worden. Als Therapie der Wahl zur Verhinderung der Chronizität sei eine Lymphologische Liposculptur anzusehen, die ambulant durchgeführt werden könne und erfolgversprechend sei. Mit Bescheid vom 03.11.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.11.2015 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Beklagte habe es versäumt, den Antrag die Klägerin innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu bescheiden, weshalb die Genehmigung fingiert werde. Die Beklagte teilte daraufhin mit, der Antrag sei am 26.10.2015 bei ihr eingegangen und innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beschieden worden. Hierzu führte die Klägerin aus, sie habe den Antrag am 01.10.2015 persönlich bei der Beklagten abgegeben. Sie legt eine Kopie des Schreibens vom 01.10.2015 vor, auf der ein Eingangsstempel der Beklagten (Regionaldirektion Bonn - Rhein-Sieg-Kreis, Geschäftsstelle Siegburg) vom 01.10.2015 aufgebracht ist. Mit Schreiben vom 18.11.2015 führte die Beklagte auszugsweise aus:
"[ ... ] vielen Dank für Ihren Antrag vom 26.10.2015. Damit Sie so schnell wie möglich eine Entscheidung zu Ihrem Leistungsantrag erhalten, haben wir die Ärzte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eingebunden und um ihre fachkundige Beratung bzw. eine Begutachtung gebeten (§ 275 SGB V).
Sobald wir ein Ergebnis d...