Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Analogleistung. rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer. Einreise ins Bundesgebiet. unterlassene Rückkehr in das für das Asylverfahren eigentlich zuständige Land

 

Orientierungssatz

1. Allein die Einreise nach Deutschland stellt keine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer im Sinne des § 2 Abs 1 AsylbLG dar (entgegen SG Lüneburg vom 22.2.2018 - S 26 AY 26/17 = SAR 2018, 69).

2. Soweit die Kammer bisher die unterlassene Rückkehr in das für das Asylverfahren eigentlich zuständige Land noch als rechtsmissbräuchliche Verlängerung der Aufenthaltsdauer angesehen hatte, wird diese Auffassung nicht mehr weiter aufrechterhalten (Aufgabe von SG Landshut vom 6.5.2019 - S 11 AY 38/19 ER).

 

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeit vom 21.05.2019 bis zum 31.10.2019 zu gewähren.

II. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i. V. m. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) anstelle von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.

Die Antragstellerin ist 1998 geboren und stammt aus Sierra Leone. Sie reiste am ....2017 erstmals in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.03.2017 einen Asylantrag.

Die Antragstellerin ist seit dem 21.09.2017, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Landkreis Landshut zur Wohnsitznahme zugewiesen. Seitdem bezieht die Antragstellerin gemäß Bescheid vom 22.11.2017 Leistungen nach § 3 AsylbLG bis auf Weiteres.

Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 12.07.2017 als unzulässig abgelehnt. Italien sei für das Asylverfahren zuständig. Die Antragstellerin wurde auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise hingewiesen. Die Abschiebung nach Italien wurde angeordnet. Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wurde am 27.07.2017 abgelehnt.

Von der bereits geplanten Abschiebung der Antragstellerin wurde abgesehen, wohl aufgrund der Schwangerschaft der Antragstellerin. Der Antragsgegner erhielt am 21.09.2017 Kenntnis von der Schwangerschaft. Am ...05.2018 wurde die Tochter der Antragstellerin geboren.

Nachdem das Asylverfahren nunmehr im nationalen Verfahren durchgeführt wurde, lehnte das BAMF mit Bescheid vom 05.04.2018 den Antrag auf Asyl ab. Dagegen erhob die Antragstellerin am 18.05.2018 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg. Eine Entscheidung steht noch aus.

Nach der Anhörung vom 12.10.2018 wurden mit Bescheid des Antragsgegners vom 29.04.2019 höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG abgelehnt. Die 15-Monatsfrist ende zwar mit dem 16.06.2018. Die Antragstellerin sei durch einen sicheren Drittstaat (Italien) nach Deutschland eingereist. Zudem habe die Antragstellerin in Italien einen Asylantrag gestellt. Nachdem Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig gewesen sei, erweise sich bereits der Aufenthalt in der Bundesrepublik als nicht zuständigem Staat als rechtsmissbräuchlich. Über den Widerspruch der Antragstellerin vom 21.05.2019 wurde bisher nicht entschieden.

Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 21.05.2019 hat sich die Antragstellerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, an das Sozialgericht Landshut gewandt. Die Antragstellerin halte sich am 16.06.2019 seit 15 Monaten in der Bundesrepublik auf. Sie habe die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Insbesondere stelle die Einreise über Italien kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Sie habe keinen Asylantrag in Italien gestellt. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten stelle nur dar, wenn bei vollziehbarer Ausreisepflicht die Überstellung durch das Verhalten des Betroffenen vereitelt werde. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Grundrechtsrelevanz.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab 21.05.2019 vorläufig Leistungen gem. § 2 AsylbLG zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Aus der Entscheidung im nationalen Verfahren ergebe sich aus leistungsrechtlicher Sicht kein rechtmäßiger Aufenthalt. Die Antragstellerin habe ausschließlich nach Deutschland gewollt und habe wegen der dortigen Lebensverhältnisse nicht zurück nach Italien gewollt. Die Einreise nach Deutschland sei nicht rechtmäßig im Sinne des § 2 AsylbLG gewesen. Die Eilbedürftigkeit sei nicht zwingend ersichtlich, nachdem weiterhin Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie dem weiteren Vortrag der Beteiligten wird auf die Akte des Gerichts und die beigezogene Akte des Antragsgegners verwiesen.

II.

Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung statthaft und zulässig und begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29.04...

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