Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Gewährung eines Aufenthaltsrechts durch einen anderen Mitgliedstaat der EU. teleologische Reduktion. Anknüpfung an ein pflichtwidriges Verhalten des Leistungsberechtigten. Erkennbarkeit im Verwaltungsakt. Feststellung für die Vergangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es muss aus dem feststellenden Verwaltungsakt eindeutig hervorgehen, welche konkrete Pflichtverletzung Grundlage der Leistungskürzung nach § 1a Abs 4 S 2 AsylbLG ist.

2. Eine Leistungsabsenkung nach § 1a AsylbLG kann nur für die Zukunft erfolgen.

 

Orientierungssatz

Für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 4 S 2 AsylbLG ist im Wege der normerhaltenden teleologischen Reduktion zu fordern, dass dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist.

 

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 1. und 2. vorläufig Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeit vom 01.02.2019 bis zum 31.05.2019 ohne Einschränkungen nach 1 a Abs. 4 AsylbLG zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Der Antragsgegner trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1. und 2.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens um die Gewährung von Grundleistungen gemäß § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ohne Einschränkung des Anspruches gemäß § 1 a Abs. 4 S. 2 AsylbLG.

Der 1968 geborene Antragsteller zu 1. ist der Ehemann der 1968 geborenen Antragstellerin zu 2. Sie sind die Eltern des am 01.01.2002 geborenen Antragstellers zu 3. Die Antragsteller sind syrische Staatsangehörige und reisten am 02.03.2018 in die Bundesrepublik ein. Der Antrag auf Gewährung von Asyl wurde am 05.03.2018 gestellt. Der Asylantrag wurde mit Bescheid vom 20.04.2018 als unzulässig zurückgewiesen und es wurde die Abschiebung nach Italien angedroht. Hiergegen erhoben die Antragsteller am 27.04.2018 Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach, über die, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden ist.

Seit dem 11.12.2018 sind die Antragsteller dem Landkreis Passau zur Unterbringung zugewiesen.

Die Antragsteller sind Inhaber einer Aufenthaltsgestattung für Italien. Diese besteht bis zum 28.12.2021 fort.

Mit Schreiben vom 27.12.2018 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zu 1. und 2. zur beabsichtigten Leistungskürzung an. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass Italien den Antragstellern internationalen Schutz gewähre. Der Antragsgegner sehe daher den Tatbestand des § 1 a Abs. 4 S. 2 AsylbLG als erfüllt an.

Eine Stellungnahme der Antragsteller erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 25.01.2019 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern zu 1. und 2. ab dem 11.12.2018 bis 31.05.2019 Leistungen nach dem AsylbLG nur eingeschränkt. Die Antragsteller zu 1. und 2. erhalten jeweils nunmehr Leistungen in Höhe von mtl. 148,55 € zzgl. Leistungen für Unterkunft, Gesundheits- und Körperpflege durch Sachleistungen. Die Antragsteller zu 1. und 2. seien Inhaber einer Aufenthaltsgestattung für Italien. Dort werde den Antragstellern bereits internationaler Schutz gewährt. Deshalb lägen die Voraussetzungen des § 1 a Abs. 4 S. 2 AsylbLG vor.

Dem Antragsteller zu 3. hingegen gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 17.12.2018 bis auf weiteres ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 01.02.2019 legten die Antragsteller Widerspruch ein.

Gründe für die Kürzung der Leistungen gemäß § 1 a AsylbLG bestünden nicht.

Über den Widerspruch wurde bisher noch nicht entschieden.

Mit ihrem Antrag vom 01.02.2019 auf einstweiligen Rechtsschutz haben sich die Antragsteller, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, an das Sozialgericht Landshut gewandt. Die Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung seien nicht erfüllt. Die unterbliebene Ausreise beruhe nicht auf Gründen, die die Antragsteller zu vertreten hätten. Solange die Antragsteller nicht vollziehbar ausreisepflichtig seien, dürften Leistungen nach dem AsylbLG nicht eingeschränkt werden.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig für den Zeitraum 11.12.2018 bis 31.05.2019 Leistungen nach § 3 AsylbLG ohne Einschränkungen nach § 1 a AsylbLG zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsteller seien im Wissen um den bereits in Italien gewährten internationalen Schutz in das Bundesgebiet eingereist. Dies sei den Antragstellern als Fehlverhalten zuzurechnen. Der Antragsteller zu 3. habe ohnedies die vollen Leistungen erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Akte des Gerichts und die beigezogene Akte des Antragsgegners verwiesen.

II.

Bezogen auf die Antragsteller zu 1. und 2. ist der Antrag als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung statthaft und überwiegend begründet (dazu 2.). Der Antrag des Antragstellers zu 3. ist bereits unzulässig (dazu 1...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?