Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Wohnflächengrenze in Bayern. Gemeinde im Landkreis Landshut. kein schlüssiges Konzept. Anwendung der Wohngeldtabelle wegen fehlender Erkenntnismöglichkeiten. Sicherheitszuschlag von 15 %. Erhöhung der Unterkunftskosten durch Umzug. keine Begrenzung auf bisherige Unterkunftskosten bei Erstauszug aus Elternhaushalt. Notwendigkeit des Umzuges zur besseren Krankenbehandlung. kein Warmwasserabschlag mehr seit 1.1.2011
Leitsatz (amtlich)
1. Einen Durchschnittswert aus den Mietzinsen aller in das Ermittlungskonzept einbezogener Wohnungen zu bilden, ohne eine Differenzierung nach der jeweiligen Wohnungsgröße vorzunehmen, ist kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
2. Die Tabellenwerte zu § 12 WoGG sind um einen Sicherheitszuschlag zu erhöhen. Dieser kann insbesondere bei Gemeinden unterhalb der 10.000 Einwohnergrenze (vgl § 12 Abs 3 WoGG) den Regelbedarfszuschlag von 10 % überschreiten, wenn das Mietniveau in der entsprechenden Gemeinde offensichtlich höher ist, als im Durchschnittsgebiet des Landkreises.
3. Bei der Prüfung einer konkreten, einzelfallbezogen "gedeckelten" Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 ist insbesondere Art 11 GG zu beachten. Es dürfen daher keine zu hohen Anforderungen an die Erforderlichkeit des Umzugs gestellt werden. Die Erforderlichkeit des Umzugs ist gegeben, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde. Auch ein Umzug zur Ermöglichung einer besseren Heilbehandlung bzw fachärztlichen Erreichbarkeit kann die notwendige Erforderlichkeit begründen.
Orientierungssatz
1. In Bayern ist zur Bestimmung der Wohnflächengrenze im Rahmen des § 22 SGB 2 auf die Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts (VVWoBindR) des Bayrischen Staatsministeriums des Innern vom 10.12.2004 zurückzugreifen. Danach beträgt die Wohnflächengrenze für einen Einpersonenhaushalt 50 qm.
2. Seit dem 1.1.2011 sind die Kosten der Warmwasseraufbereitung nicht mehr vom Regelbedarf gem § 20 Abs 1 SGB 2 umfasst, so dass kein Warmwasserabschlag mehr angesetzt werden darf. Dies verdeutlicht § 21 Abs 7 SGB 2 nF, der den Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung regelt. .
Tenor
I. Das beklagte Jobcenter wird verurteilt, unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 28.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2011 dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft i. H. v. monatlich 46,97 EUR für den Zeitraum 01.03.2011 bis 31.08.2011 zu gewähren. Für den Zeitraum 15.02.2011 bis 28.02.2011 sind die Bescheide insoweit abzuändern, als bei der Berechnung der SGB II-Leistungen ein Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 373,00 EUR festgesetzt wird.
II. Das beklagte Jobcenter hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft im Rahmen von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger bewohnt seit dem 08.02.2011 (vgl. Meldebestätigung v. 08.02.2011) eine 44,00 qm-große Wohnung in A-Stadt (Landkreis Landshut). Der Kläger wohnte bis zu seinem Umzug in den Landkreis Landshut kostenlos bei seinen Eltern und bezog SGB II-Leistungen (Regelleistungen) von der zuständigen Agentur für Arbeit Straubing (getrennte Aufgabenwahrnehmung). Anlass für den Umzug war nach Aussage des Klägers eine fachärztliche Empfehlung, da die Behandlung im Landkreis Landshut besser sei als im Bereich Straubing/Bogen. Ferner rechne der Kläger im Landkreis Landshut mit einer besseren Vermittlung in Erwerbstätigkeit.
Am 03. bzw. 04.02.2011 erkundigte sich der Kläger telefonisch beim beklagten Jobcenter nach der gültigen Mietobergrenze. Dabei wurde er von der Sachbearbeiterin auf die Genehmigungspflicht durch den bisher zuständigen Leistungsträger hingewiesen. Eine Zusicherung durch den bisherigen Leistungsträger erfolgte nicht.
Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft des Klägers betragen laut Mietvertrag vom 31.01.2011 373,00 EUR. Diese Kosten setzen sich zusammen aus
- der Grundmiete in Höhe von 285,00 EUR,
- den Vorauszahlungen für Betriebskosten (Heizung- und Warmwasserkosten) in Höhe von 45,00 EUR und
- den Vorauszahlungen für die sonstigen Betriebskosten in Höhe von 43,00 EUR.
Am 15.12.2011 stellte der Kläger einen SGB II-Antrag beim beklagten Jobcenter.
Mit Bewilligungsbescheid vom 28.02.2011 gewährte das beklagte Jobcenter dem Kläger Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum vom 15.02.2011 bis zum 31.08.2011 in Höhe von monatlich 685,03 EUR (Zeitraum 01.03.2011 bis 31.08.2011) bzw. 152,15 EUR (Zeitraum 15.02.2011 bis 28.02.2011). Dabei setzte das beklagte Jobcenter 326,03 € als angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung an. Diese setzen sich unter Berücksichtigung des Konzepts zur Ermittlung der ...