Leitsatz (amtlich)

Verpflegung bei stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mindert den Bedarf von Hilfebedürftigen nicht (Anschluß u.a. an Sächsischen Landessozialgericht, Beschluß vom 22. Oktober 2007 - L 2 B 422/07 AS-PKH und Sozialgericht Leipzig, Urteil vom 30. Oktober 2007 - S 4 AS 52/07;

Abgrenzung u.a. von Sozialgericht Leipzig, Beschlüsse vom 3. August 2006 - S 6 AS 232/06 ER, 14. September 2006 - S 18 AS 1442/06 ER und 16. April 2007 - S 5 AS 613/07 ER).

 

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird unter Abänderung des Bescheides vom 1. November 2007 verpflichtet, den Antragstellern für Dezember 2007 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Kürzung der Regelleistungen und ohne Berücksichtigung der Verpflegung bei den stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Einkommen zu erbringen.

II. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern deren notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um den Wert von Rechten auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei stationären Leistungen zur Rehabilitation.

Die 1970 und 1974 geborenen Antragsteller (Ast.) zu 1. und 3. leben zusammen. Zum Haushalt gehört des weiteren die 1997 geborene Ast. zu 2.

Mit Bescheid vom 24. August 2007 bewilligte der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für die Ast. zu 1. und 2. stationäre Leistungen zur Rehabilitation. Die Maßnahme ist vom 22. November bis 20. Dezember 2007 vorgesehen.

Am 18. Oktober 2007 beantragte die Ast. zu 1. bei der Antragsgegnerin (Ag.) die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Mit Bescheid vom 1. November 2007 bewilligte die Ag. den Ast. für Dezember 2007 insgesamt 143,61 € und für Januar bis Mai 2008 insgesamt 264,94 € monatlich. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Bescheides nebst Anlagen (“Berechnungsbogen„) verwiesen (Blatt 279ff der Verwaltungsakte).

Dagegen erhob der Bevollmächtigte der Ast. (Rechtsanwalt) mit Schreiben vom 19. November 2007 Widerspruch.

Am 19. November 2007 beantragten die Ast. einstweiligen Rechtsschutz.

Der Rechtsanwalt trägt vor, der Ast. zu 2. nehme an o.g. Rehabilitation ebenso teil. Eine Minderung der Regelleistung sei ausgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dessen Schreiben vom 19. November 2007 verwiesen (Blatt 3f der Gerichtakte).

Der Rechtsanwalt beantragt,

die Antragsgegnerin im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, an die Bedarfsgemeinschaft (über die bereits bewilligten 143,61 € hinaus) weitere Leistungen für den Monat Dezember 2007 in Höhe von 121,33 € (bzw. an die Antragstellerin zu 1 weitere 46,20 €, an die Antragstellerin zu 2 weitere 28,92 € und an den Antragsteller zu 3 weitere 46,21 €) zu zahlen.

Die Ag. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Regelleistung sei bei stationärem Aufenthalt zu kürzen. Grundlage hierfür sei das Bedarfsdeckungsprinzip. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Ag. vom 23. November 2007 verwiesen (Blatt 35ff der Gerichtsakte).

II.

Der zulässige Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist begründet.

1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

Die Ast. begehren (im Sinne des entsprechend anwendbaren § 123 SGG) höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Dezember 2007. Hierfür ist die sog. Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit (iVm) § 920 Abs. 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) haben die Ast. für eine einstweilige Anordnung des Gerichts die Tatsachen für das Bestehen eines sog. Anordnungsanspruchs und -grunds darzulegen und glaubhaft zu machen. Die sog. Glaubhaftmachung ist der mildeste Beweismaßstab des Sozialrechts. Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Zehntes Buch (X). Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht nicht aus, um diese Beweisanforderung zu erfüllen. Es genügt allerdings, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Vgl. ausführlicher hierzu zB Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 29/06 R (Rn 116), mwN. Zur Glaubhaftmachung von Tatsachen ist (auch) die Versicherung an Eides ...

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