Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Meldeversäumnis. Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung
Leitsatz (amtlich)
Die Belehrung über die Rechtsfolgen in einer Aufforderung, sich an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Tageszeit zu melden, ist zumindest dann unvollständig, wenn die Rechtsfolgenbelehrung unter Bezug auf den Gesetzestext zwar erläutert, wann eine Verletzung der Meldepflicht vorliegt, ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass der Meldepflicht auch nachgekommen wird, wenn sich zu einer anderen Zeit am selben Tag gemeldet und der Zweck der Meldung erreicht wird.
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 8.7.2016 wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um eine Minderung des Arbeitslosengeldes aufgrund eines Meldeversäumnisses.
Mit Bescheid vom 19.2.2016 bewilligte der Antragsgegner dem 1964 geborenen Antragsteller Arbeitslosengeld II für März 2016 bis Februar 2017.
Mit Schreiben vom 12.5.2016 lud der Antragsgegner den Antragsteller für den 19.5.2016 (einem Donnerstag) um 11 Uhr in eine seiner Dienststellen ein, um mit ihm dessen aktuelle berufliche Situation zu besprechen. Der Antragsteller werde gebeten, einen Nachweis über seine Bewerbungsaktivitäten (zum Beispiel Kopien seiner Bewerbungsanschreiben) mitzubringen.
Am 19.5.2016 um 10:27 Uhr hinterließ der Antragsteller unter der im Schreiben vom 12.5.2016 genannten Telefonnummer dem "Team 907" des Antragsgegners auf einem Anrufbeantworter folgende Nachricht:
"Ja, hier ist der Herr ...; Kundennummer ... Kann leider den Termin heute nicht wahrnehmen. Habe einen Kupplungsschaden an meinem Kfz. Die werte Frau ... möchte mich kontaktieren zwecks einem neuen Termin über E-Mail, da ja das über den postalischen Weg wahrscheinlich nicht funktioniert."
Mit Schreiben vom 23.5.2016 gab der Antragsgegner dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Sanktion. Rechtfertigende Gründe für das Nichterscheinen am 19.5.2016 seien nicht erkennbar. Mit E-Mail vom 8.6.2016 wies der Antragsteller auf seinen Anruf am 19.5.2016 hin.
Mit Bescheid vom 8.7.2016 stellte der Antragsgegner eine Minderung des Arbeitslosengeldes II für den Antragsteller vom 1.8. bis 31.10.2016 um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs in Höhe von 40,40 € monatlich fest und hob insoweit den Bescheid vom 19.2.2016 auf. Die vom Antragsteller angegebenen Gründe für sein Verhalten seien nicht als wichtig anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 25.7.2016 erhob der Antragsteller beim Antragsgegner Widerspruch gegen den Bescheid vom 8.7.2016. Durch den Ausfall der Kupplung sei er an einem Verkehrsknotenpunkt der Stadt A... liegen geblieben. Sein Kraftfahrzeug sei von einer privaten Person abgeschleppt worden.
Am 28.7.2016 beantragte der Antragsteller beim erkennenden Gericht einstweiligen Rechtsschutz.
Der Antragsteller trägt vor, der Schaden an seinem Fahrzeug sei durch Eigenleistung behoben worden. Den Namen und die ladungsfähige Anschrift der ihn abschleppenden Person könne er mangels deren Einverständnisses nicht nennen.
Der Antragsgegner trägt vor, der Antragsteller habe am gleichen Tag auch zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, vorzusprechen, sofern er tatsächlich nachweislich verhindert gewesen sein sollte. Weiterhin hat der Antragsgegner Unterlagen über vorangegangene Meldeversäumnisse des Antragstellers seit 2015 vorgelegt.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird abgesehen. Denn das Gesetz (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG) verlangt nur die Begründung des Beschlusses über die einstweilige Anordnung. Auf § 136 SGG wird nur verwiesen, falls der Beschluss nach mündlicher Verhandlung ergeht (§ 142 Abs. 1 SGG). Daran fehlt es hier. Somit ist eine (weitere) gedrängte Darstellung des Tatbestandes im Sinne des § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG entbehrlich.
II.
Der nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthafte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig und begründet.
Antragsbegehren (§ 123 SGG in entsprechender Anwendung) ist einstweiliger Rechtsschutz (§ 86b SGG) gegen den Bescheid vom 8.7.2016 über die Minderung des dem Antragsteller mit Bescheid vom 19.2.2016 bewilligten Arbeitslosengeldes II für August bis Oktober 2016 um 40,40 € monatlich. Der Bescheid vom 8.7.2016 ist noch nicht bindend (§ 77 SGG). Denn nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten hat der Antragsteller dagegen Widerspruch erhoben (§ 83 SGG).
Statthaft ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Denn der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 8.7.2016 hat keine aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II). Die Änderung des § 39 Nr. 1 SGB II zum 1.8.2016 (Art. 1 Nr. 33 und Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 26.7.2016, BGBl. I, 1824, 1830 und 1838) wirkt sich in diesem Verfahren nicht aus.
Der zulässige Antrag ist begründet. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht de...